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Was macht ADR1FT zu einem Survival-Game? Richtig, es ist die Eins. Die Ziffer im Titel mal außen vor gelassen, ist zu überleben so ziemlich das einzige, worum es in diesem Spiel geht, noch dazu mit unserem heiß geliebten Sauerstoff als ständig zu knappe Ressource, was den Überlebenskampf im All theoretisch auch ganz ohne Space-Zomies und George Clooney als väterlichen Mentor erschreckend genug machen sollte. Gleich zu Beginn von der gruseligen Speicherraummucke aus The Evil Within begrüßt zu werden, erzeugt auch gleich Stimmung. Doch weit gefehlt, gepeichert wird hier automatisch und Monster gibt’s erst recht keine.
Walking Simulator – Walking = ?
Gute Frage. Für einen Walking Simulator ist es natürlich auf den ersten Blick nicht ganz so einfach, uns bei Laune zu halten, wenn wir darin noch nicht einmal mehr walken dürfen. Wir schweben statt dessen, und das macht sogar noch mehr Spaß. Zunächst unkoordiniert und hilflos, später geübter und sicherer, düsen wir herum und spätestens jetzt müssen wir uns doch ein wenig mit der Entstehungsgeschichte dieses Spieles befassen, um das größere Ganze zu verstehen. Um die Hintergrundidee, die ADR1FT zugrunde liegt, wurde von Seiten des Entwicklers Three One Zero kein Geheimnis gemacht. Wie fühlt es sich an, wenn uns von jetzt auf gleich der Teppich unter den Füßen weggezogen wird, und wir nicht nur um unsere Existenz fürchten müssen, sondern auch noch von fast allen Seiten angefeindet werden?
So geschehen mit Adam Orth – früher Kreativchef bei Microsoft und von allen geehrt für seinen aufopfernden Kampf für die Always-Online-Bewegung. Durch eine provokante Äußerung auf Twitter machte sich dieser Mann im Netz äußerst unbeliebt und geriet ins Ziel vom Online-Mobbing. Orth selber, und hier schließt sich der Kreis zu ADR1FT, empfand diese Zeit als „das beste, was ihm je passiert ist“ – hinterher. Die Gefühle der Hilf- und, Orientierungslosigkeit, unkontrollierbaren Kräften ausgeliefert und plötzlich um sein Wohl und das der Familie bangend, inspirierten ihn zu der Idee des Spiels:
Nach einer plötzlichen Katastrophe treiben wir zwischen den Trümmern einer zerstörten Weltraumstation umher und versuchen, unser Leben wieder in den Griff zu kriegen. Adrift eben. Sorry, adr1ft, englisch für tre1bend, wie die Nussschale in der Brandung.
Überleben fast auf Knopfdruck
Die Space Odyssey als Metapher für persönliche Katastrophen, die es zu überwinden gilt, ist rein verstandesmäßig nachvollziehbar, aber die Dringlichkeit und der Überlebensinstinkt werden nicht wirklich angesprochen, sprich, das Gefühl. Zum einen müssen wir derart häufig zur Flasche greifen, dass es bald eher nervt, als dass wir es als Spielmechanik willkommen heißen. Zum anderen müssen wir auch nicht wirklich etwas dafür tun. Die Sauerstoffvorräte sind überall verteilt und werden per Radar sowohl auf der Minimap als auch direkt in der Spielwelt als Icon deutlich gekennzeichnet. Tatsächlich wird die Sicht manchmal sogar so davon zugemüllt, dass wir das eigentliche nächste Ziel kaum erkennen können.
So verkommt das, was eigentlich grundlegendes Gameplay eines Survivalspiels sein sollte, nicht nur zur Farce, weil wir es quasi nebenher erledigen, sondern zur lästigen Pflichtübung. Das bedeutet nicht, dass wir nicht schnell draufgehen können, im Gegenteil: Speziell wenn wir unser Ziel oder den Weg dorthin falsch einschätzen – wirre Radaranzeigen machen’s möglich – röchelt Alex Oshima sehr schnell vor sich hin, nur haben wir eben nicht den Eindruck, wir hätten schlecht gehaushaltet, sondern lediglich nicht kapiert, wo wir entlang sollten. Nun wollen wir das Spiel nicht alleine daran messen, wieviel Survival darin steckt, aber Fans sowohl von Ressourcengewinnung bzw. -management als auch der eher horrorlastigeren Ecke haben deutlich anspruchsvolleres zur Verfügung. Auch mit dieser eher seichten Variante hätten die Entwickler Dringlichkeit und Spannung besser transportieren können.
Traumhaft schöne Zerstörung
Die Voraussetzungen sind jedenfalls gegeben, und Präsentation kann sich durchaus sehen lassen, denn sowohl die in Trümmern liegende Raumstation im Orbit der Erde als auch das All bzw. der Planet sind grafisch gelungen und wirklich beeindruckend inszeniert. Three One Zero schaffen es hier zusammen mit der durchdachten, wunderbar funktionierenden Steuerung und dem passenden Klangdesign, ein funktionierendes Mittendringefühl zu erzeugen. Kein Wunder, ist ADR1FT doch vor allem als VR-Titel konzipiert.
Wo liegen denn dann die Probleme? Zum einen fehlt es an narrativer Führung. Nicht abkratzen mag ja an sich ein verständliches Ziel sein, mit dem sich die meisten Spieler werden identifizieren können, aber, ganz salopp ausgedrückt, das ganze Spiel über geschieht absolut gar nichts. Alles, was wichtig ist, ist bereits vor Beginn passiert, was zwar gut zur Situation passen könnte, leider aber für ein Spiel nicht viel her macht. Ein paar für den Spieler mehr oder weniger bedeutungslose Reparaturen durchführen zu müssen, noch dazu mehrfach die gleichen, indem wir zu irgendwelchen Computerkonsolen schweben und da einen Knopf drücken, entlockt uns schneller ein Gähnen als das ziemlich meditativ gehaltene Synthesizergeschwursel als Soundtrack und so driften wir ereignisfrei von Gang zu Gang, von Trümmerfeld zu Trümmerfeld, von Knopf zu Knopf.
Im Weltall hört Dich niemand schreien … Klappe!
Alex erweist sich fast durchgehend als stumme Protagonistin, die nur ab und zu mal keucht oder grunzt, und so bleiben für die Erzählung bloß einige Funksprüche von der Bodenstation bzw. Satellitenübertragungen mit nur selten interessantem oder überhaupt Informationsgehalt. Dadurch gewinnen wir immerhin etwas Aufschluss darüber, wie Außenstehende Alex‘ Situation und ihre Person bewerten, was wiederum eine mögliche Metainterpretation zulässt, ohne dass sich der Vergleich zu Orth zu sehr aufdrängen würde. Seine Erlebnisse mögen der Anlass gewesen sein, sich mit bestimmten Thematiken auseinanderzusetzen, das war es angenehmerweise dann auch schon. Eine andere in Spielen weit verbreitete Erzähltechnik hat ebenfalls ihren Weg in ADR1FT gefunden, nämlich die Text- und Audiologs.
Durch diese bekommen wir ein bisschen Einblick in die Charaktere, die wir aber leider nicht mehr kennenlernen und die uns auch ziemlich egal bleiben, da alles zu kurz behandelt wird und die Leute eh schon tot sind. Bezeichnend ist für die Mannschaft der Northstar IV, dass sie alle mit persönlichen Fehlern zu kämpfen hatten. Seien es solche, die sie früher gemacht hatten, oder charaktereigene Fehler, mit denen sie aktuell hadern, was wohl wieder symbolisch ausgewertet werden könnte. Aber auch das trägt hier leider nicht viel dazu bei, dass wir irgendwie mitfiebern oder anderweitig Interesse am Ausgang der Ereignisse entwickeln.
Es ist ein bisschen wie das Schlendern über den Friedhof, wo niemand liegt, den wir kannten. „Hier ruht Margarete Ohneschuh, 1899 – 1953. Sie rauchte zu viel und trat ihren Hund.“ Aha, faszinierend. Es wird lediglich im Ansatz versucht, das für Oshima und damit letztlich den Spieler emotional beteiligend umzusetzen, indem uns mitgeteilt wird, dass sie diese Leute natürlich kannte und dass sie vermutlich die Schuld an dem Unfall trägt oder sie ihr zumindest in die Schuhe geschoben wird. Das bleibt aber alles zu nüchtern und passiv.
Vertane Chancen
Mit einigen wenigen Änderungen hätten die Entwickler das Geschehen mitreißender gestalten können. Zum Beispiel noch einen anderen Überlebenden einbauen, für den wir sorgen oder den wir retten müssen. Echte Dialoge mit dem Bodenpersonal. Oder wenigstens ein paar Höhen und Tiefen während wir spielen, so dass das ganze nicht wie ein langer Schlauch voll gar nichts wirkt.
Statt dessen haben wir also ein Survivalspiel ohne echte Survivalelemente, einen Walking Simulator ohne Walking. Es gibt keine Rätsel, kein Gameplay außer „Drück den Knopf da“. Einzig, dass es auch ein paar wenige elektrische Gefahrenquellen gibt, die bei Berührung den Sauerstoffvorrat reduzieren, sorgt ab und an für Nervenkitzel.
Dafür bekommen wir eine immerhin sehr gelungene Weltraumschweberei in fantastischer Kulisse. Wem es vor allem darauf ankommt, kann sich auf ein schönes Erlebnis freuen, aber in allem anderen bleibt ADR1FT eher Mittelmaß. Dass es in VR noch eine ganze Ecke beeindruckender ist, können wir uns gut vorstellen, von daher ist zumindest für Sony-Spieler die Nachricht sehr schade, dass die Umsetzung für die PlayStation-VR-Brille abgeblasen wurde.
Fazit
ADR1FT macht es einem nicht einfach. Wir wollen es mögen: Das Grundgerüst der Spielwelt und der Bewegung darin, ist schon sehr gut gelungen – wenn auch etwas monoton. Dafür fehlt es aber an Spannung und echten Inhalten, was vielleicht für einen entspannten Feierabend ganz nett ist, aber so als Spiel dann doch nicht lange im Gedächtnis bleibt. Dazu ist das Geschehen zu steril inszeniert, die Handlung zu trocken präsentiert und das stets gleiche Aktivieren von auf der ganzen Station verteilten Knöpfen als durchgehend einzige Beschäftigung zu einschläfernd.
Florian
„Trotz all der deutlichen Mängel kann ich nicht abstreiten, dass der kurze, aber irgendwie auch zu lange Trip in die Erdumlaufbahn seine Reize hatte, denn er gibt eine prima Techdemo ab. Nur hat man so ein bisschen vergessen, auch ein Spiel daraus zu stricken. Wer es auch mal ruhiger mag und gar nicht ständig irgendetwas erleben will, wird seinen Spaß mit dem Spiel haben. Zudem sind ähnliche Spielerlebnisse rar gesät. Von daher denke ich, wen das Prinzip interessiert oder wer einfach ein bisschen durch die Trümmer driften will, wird nicht enttäuscht sein, solange er weiß, was ADR1FT alles nicht ist.“