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Wenn wir an deutsche Horrorspiele denken, dann denken wir zuallererst an geistige Verwesung. Wir denken an Kehrmaschinen-, Bus- und Hartz-IV-Simulatoren; an Astragon, Aerosoft und desolates Pickelhauben-Gaming.
Das heißt: Noch ist das so. Denn der deutsche Entwickler Pyxton Studios will tatsächlich Outlast und Konsorten in die Waden beißen – mit Deluded Mind, einem psychologischen Horror-Adventure für den etwas strapazierfähigeren Denkapparat. Ob sich Red Barrels dadurch beeindruckt zeigen wird? Der nachfolgende Test verrät es.
Deluded Mind: Heute ein Agent
Uff, was ist denn jetzt los? In der Rolle des FBI-Agenten Dean Catrall erwachen wir schreckartig in einer müffelnden Leichenhalle – auf dem Obduktionstisch neben uns ein prall gefüllter Leichensack. Wir können kaum „What the F…“ schreien, da erreicht uns ein beunruhigender Funkspruch: „Catrall, wir haben Grund zu der Annahme, dass Sie von gefährlichen Kriminellen verschleppt wurden“. Dann unterbricht die Verbindung.
Wie von der Tarantel gestochen springen wir auf und suchen nach einem Ausgang, finden zunächst jedoch nur eine Din-A4-Notiz: Unser Entführer, der Schwarz-Humorist und Drogen-Mogul Kevin Range, hat uns ein Halluzinogen injiziert. Für einen „schönen“ Höllentrip, als Dank. Super. Als hätte er uns die Nicht-Einstellung unserer Ermittlungen gegen ihn nicht schon mit dem Mord an unserer Tochter gedankt, will er sich nun also an uns persönlich rächen. Ob wir ihm vielleicht noch einen Strich durch die Rechnung machen können?
Fürs erste sieht es nicht danach aus: Nachdem wir die Ausgangstür mit einem wohl absichtlich zurückgelassen Schlüssel geöffnet haben, stehen wir im Korridor einer offenkundig verlassenen Nervenklinik. Das einzige Licht spenden hier die auf dem Gitterboden lodernden Flammen, welche, wie wir sehr schnell merken werden, genauso wenig real sind, wie die aus dem Off hallende Stimme unseres Agentenkollegen Robert. Hören wir da etwa den unglücklichen Verlauf unseres letzten Einsatzes?
In der Tat. Und wir hören und hören und hören (und hören) ihn – bis wir uns schließlich dabei ertappen, wie wir unsere Anzugschuhe auf ihren Glanz hin überprüfen. Als wir kurz darauf auch noch frech unsere teure Krawatte zurechtrücken wollen, spuckt uns das Halluzinogen jedoch zurück in die suspekte Krankenhaus-Realität, wo wir unvermittelter Dinge über das Spielzeug unserer verstorbenen Tochter zu stolpern beginnen. Verzeihung, aber wie kommt denn das hierher? Und was, zum Kuckuck, ist hier überhaupt noch real?
Da hüpft das Herz – aus dem Halse
Nun, real ist mit Sicherheit der atmosphärearme (da praktisch soundbefreite) erste Abschnitt des Spiels. Such den Schlüssel, lies die Notiz und hol’s Spielzeug: Deluded Mind gibt sich vorerst wirklich alle Mühe, ein Krankenhausbegehungssimulator bei Teil-Stromausfall zu sein. Ein wenig kompensiert es dies aber via feinhumoristischer Einstreuungen, die den Autor zuweilen lachend durch die Gänge kriechen ließen.
Nicht zuletzt deswegen lösen wir die ersten, moderat schwierigen Rätsel des Spiels tendenziell wohlwollend – in der Hoffnung, dass es in absehbarer Zeit noch richtig rundgehen wird. Und tatsächlich: Zusammen mit den ersten Schauplatzwechseln kommen auch die in atmosphärische Sounds gebetteten, kompromisslosen Scares, die klarmachen, dass Pyxton Studios die Kunst des prozeduralen Gruselns grundsätzlich gut beherrscht – und diese Tatsache weckt bei uns natürlich das Verlangen nach mehr.
„Mehr“, das bedeutet bedrohliche NPCs, die fiese Grimassen schneiden. Die „Buaahrr“ schreien, uns ungeniert ans Bein pinkeln und dann gnadenlos (und immer noch „Buaahrr“ schreiend) durch die Gänge jagen. Doch genau diese NPCs bekommen wir in Deluded Mind zu keiner Zeit zu sehen. Egal, ob wir nun gerade durch lange Korridore à la P.T. oder durch „unsere“ Wohnung schlendern: Pyxton Studios verlässt sich leider gänzlich auf den (wenngleich netten) Rätsel-Part und auf die bei manchen Gamern so verhassten Jumpscares.
Stete Verwirrung ölt die Hirnwindungen
Denn die prinzipiell erlebenswerte Story fügt sich wie ein Tausend-Teile-Puzzle zusammen: Sehr langsam oder auch niemals. Kenner des Filmklassikers „2001: Odyssee im Weltraum“ dürften wissen, wie letztere Aussage zu verstehen ist – und wahrscheinlich sind auch genau sie diejenigen, die Deluded Minds Story absorbieren werden.
Auf technischer Seite steht dem jedenfalls nichts entgegen, da Pyxton und die hier verwendete Unreal Engine 4 merklich per Du sind. Es gibt keine störenden Matsch-Texturen, die Framerate bleibt allezeit erfreulich konstant, und auch Bugs konnten wir nur einige wenige, nicht weiter nennenswerte entdecken.
Fazit: Innovativer Jumpscare-Horror mit Mängeln
Deluded Mind ist ein überdurchschnittliches Horror-Erlebnis, das ein wenig aufseiten des Sounds und ein wenig mehr aufseiten des Gameplays schwächelt. Vor allem fehlten uns hier furchteinflößende Gegner, wie sie uns z.B. in Unforgiving: A Northern Hymn zum Teufel jagen. Dafür punktet das psychologische Adventure mit seiner komplexen Story sowie mit einigen netten Rätseln.
An dem Steam-Preis von gegenwärtig 12,99 Euro haben wir nichts auszusetzen, denn auch Rätsel-Spezialisten werden gut vier Stunden in der düsteren Nervenklinik zubringen müssen. Für einen gewissen Wiederspielwert sorgen die prozeduralen Scares, deren Vielfalt allerdings zu wünschen übrig lässt.