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Polygonale Abbilder von Sigourney Weaver oder Kane Hodder sind für unsere Festplatte längst bucklige Verwandtschaft. Johnny Depp? Den winkt sie sogar – metaphorisch gesprochen – im Schlafanzug durch. Bei einem Besuch von Katee Sackhoff hingegen staunt der Schreiblesekopf nicht schlecht. Vor dem Erscheinen des Horror-Adventures Don’t Knock Twice durfte er nämlich allenfalls das Stimmorgan der US-Schauspielerin in die Magnetscheibe ritzen. Die gleichnamige Filmvorlage vermochte die Battlestar-Galactica-Heldin nicht zu retten. Vielleicht kann sie ja aber dem Spiel etwas Gutes tun?
Von Junkie-Müttern und Töchtern des Grauens
Nee, nee, Katee alias „Jess“ – was machst du denn da? Es ist doch klar, dass man dir die Tochter (Lucy Boynton: „Chloe“) wegnimmt, wenn du deine Heiterkeit ausschließlich aus Spritzen beziehst. Ja, du bist eine bekannte Bildhauerin – und ja, vor gute Kunst hat der liebe Herrgott nun einmal die Depression gesetzt. Aber du liebst deine Tochter, weshalb du nun sofort den Crack-Löffel entsorgen und dich vor ihr sowie dem Jugendamt beweisen wirst. Sei Supergirl, auch wenn dich deine Tochter zur Hölle wünscht. Du weißt ja, wie im Stich gelassene Jugendliche so ticken: „Ich hasse dich, ich hasse dich, du liebst mich – Moment, du liebst mich? Oh, meine liebe Mutti!“. Also komm schon, geh da raus und tu es, Jess. Tu es!
Und Jess tut es. Sie geht zu den Behörden, erträgt mehrere Chloe’sche Hasstiraden. Sie verspricht und schwört, heult ihrer Tochter brüllend ins Gesicht: nichts. Wirklich gar nichts scheint Chloe dazu bewegen zu können, in das stattliche Herrenhaus ihrer Mutter zu ziehen. Dann aber kommt es zu einer Ausnahmesituation, denn auch Chloe verhielt sich in all den Jahren nicht immer klug. Als besonders Darwin-Award-verdächtig erweist sich ihr Klopfstreich an der Haustür einer dämonischen Hexe, in dessen Folge Chloe nun gelegentlich Füße erbricht … Jedenfalls unter anderem. Und ihr droht noch Schlimmeres, da Hexe Mary mit niemand Geringerem als Baba Jaga im Bunde ist – einem kinderseelenverschlingenden Mist-Dämon.
Sie ist weg
Hier setzt nun das von Wales Interactive produzierte Spiel an: Genau wie die Filmvorlage lässt es die völlig verängstigte Chloe in das Haus ihrer Frau Mama ziehen und ihren Mutterhass auf eine gänzlich neue Stufe heben. So schickt uns Chloe während der Anfangsphase alle Nase lang „Hass-SMS“, die uns unser rabenmütterliches Handy am liebsten an die Wand werfen ließen. Fast schon möchten wir sie Baba Jaga persönlich opfern, als sie plötzlich von höheren Mächten durch eine Tür gezogen wird und spurlos verschwindet. Ein Glücksmoment sondergleichen, keine Frage, doch leider haben uns die Entwickler die Bürde auferlegt, unser wertes Töchterchen aus den Fängen des bösen Dämons befreien zu müssen. Warum nur?
Wieder weinen wir brüllend. Eigentlich ist die Welt gerade so richtig in Ordnung, doch der Mütterkodex lässt uns keine andere Wahl: im Wesentlichen nur mit einer Kerze bewaffnet, suchen wir in den düsteren Räumen und Korridoren des Hauses nach Hinweisen über Chloes Verbleib. Zunächst kündet lediglich eine Blutpfütze davon, dass irgendetwas mit dem Haus geschehen ist. Dann aber spielen plötzlich auch die Deckenlampen verrückt, barocke Portraitgemälde winken Layers of Fear von den Wänden, und der Backofen grillt uns einen Säugling „well done“. Für die perfekte Geisterbahn auf mehreren Etagen fehlt eigentlich nur noch ein aufrecht gehender Gorilla, den die Filmvorlage allerdings nicht hergibt; stattdessen sorgt u.a. ein Baba-Jaga-Jumpscare für ausschweifende Kardiologenfeste.
Und sonst? Wider Erwarten leider nicht allzu viel. Als Adventure mit Fokus auf Kombinationsrätsel ist Don’t Knock Twice quasi so abhängig vom Film, wie Jess einst von Heroin. Zwar erzählen die im Herrenhaus herumliegenden Tagebücher und Notizen genügend zum Filmgeschehen und auch zum Baba-Jaga-Mythos. Ohne den Wiedererkennungswert aber vermag das Spiel nur für kurze Zeit zu fesseln, da es (wenngleich gekonnt) fast ausschließlich mit unserer Angst vor dem Dunkeln herumspielt. Eine „umgekehrte Hexenjagd“ hätte hier wohl Wunder bewirken können.
VR ganz ohne Brille
Apropos keine Wunder: Aufseiten der Performance gibt es fast nichts auszusetzen. Dafür vermittelt uns die teils sehr niedrig aufgelöste Grafik das Gefühl, die ganze Zeit unter einer VR-Brille zu stecken. Eine solche wird von Don’t Knock Twice übrigens gleich dreifach unterstützt: Auf der Liste stehen neben HTC Vive auch Oculus Rift und OSVR (Open Source). Ganz gleich allerdings, mit welchem Gerät wir uns nun in Lieutenant Commander Geordi La Forge verwandeln – die gute Jess wird sich niemals materialisieren. Schauen wir also in ein Fenster oder in einen (immerhin nicht gänzlich entspiegelten) Spiegel, sehen wir, wie wir sehen werden, nichts.
Aber hören wir denn vielleicht etwas? Ja, manchmal. Während die „Major-Scares“, wie z.B. das Erscheinen von Baba Jaga, in unseren Gehörgängen dröhnend widerhallen, spielen die regulären „Schockeffekte“ hingegen Mäuschen. Fliegt etwa eines der besessenen Gemälde von der Wand, hat dies in etwa den Impact einer herunterfallenden Kartoffel auf dem Mond. Und fällt in der Küche dann wirklich einmal eine Kartoffel von der Anrichte, hören wir…? Ganz genau: nichts. Erwartungsgemäß fallen dann auch die atmosphärischen Soundscapes im Hintergrund eher spärlich aus – wenn jedoch etwas zu vernehmen ist, untermalt es das Bildschirmgeschehen sehr passend.
Fazit: Ein unspektakuläres Film-Add-on
Wie so viele Spiele mit Filmlizenzen bleibt auch Don’t Knock Twice deutlich hinter der Zelluloidrolle zurück; für Kenner und Fans des britischen Horror-Underdogs kann das Adventure aber dennoch interessant sein. Vorausgesetzt wird eine gewisse Toleranz gegenüber vergesslichen Speichersystemen sowie eine hohe Affinität zu gegnerbefreiten Spielen. Auch täte man gut daran, in Sachen Unheimlichkeit kein nervenzerfetzendes Überprodukt aus der Hölle zu erwarten. Don’t Knock Twice ist nicht mehr und nicht weniger als eines dieser Zehn-Euro-Horrorspielchen für zwischendurch. Das Problem dabei: zurzeit kostet es ziemlich genau doppelt so viel.