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Wenn wir den Namen Bandai Namco hören, denken wir zuallererst an quietschbunte JRPGs gehobener Güte. Doch der japanische Publisher ist mehr als das, er ist eigentlich wie ein Überraschungsei für Gruftis: Nach sechsmal Tales of Symphonia zieht er regelmäßig lichtverzehrende Bösware aus dem Sack, die neben der bekannten Dark-Souls-Reihe jetzt auch The Farm 51s Get Even umfasst. Wir haben letzterem Genre-Mix aus Horror, Stealth-Shooter und Walking Simulator ein wenig auf den Zahn gefühlt – und litten dabei selbst moderate bis mittelstarke Schmerzen.
Die Geschichte von Black und Red
„Was zum Teufel … Wo bin ich? Und wie bin ich hierher gekommen? Moment mal … W-wer bin ich überhaupt?“: Diese Line dürfte fast jeder Gamer irgendwann schon einmal gehört haben, denn Amnesie-geplagte Videospiel-Protagonisten überkamen und -kommen uns ähnlich einer biblischen Plage. Als hielten wir uns israelische Sklaven zum Befeuern des Heizkessels im Keller, lässt auch der Protagonist von Get Even allmählich eine schwere Strafe „von Oben“ vermuten. Denn (Cole) Black, so sein Name, ist ein offiziell langzeitgedächtnisloser Ex-Söldner und Auftragskiller – und darüber hinaus ist er für die nächsten acht bis zehn Stunden unser Alter Ego.
Schlimm? Eigentlich nicht, da Black keinesfalls zu der Sorte von Killern zählt, denen das Wort „Gewissen“ nur in Verbindung mit „Auf dem“ geläufig ist. Dies träfe schon eher auf Blacks Gastgeber zu, der in einem augenscheinlich verlassenen Krankenhaus eine Reihe von üblen Rückführungsexperimenten durchführt. Dazu zieht er ausschließlich traumatisierte Ex-Militärs sowie geistig gestörte Schwerstkriminelle heran, deren Mitwirken kaum auf freiwilliger Basis erfolgen dürfte. Sie alle werden wohl, genau wie Black bzw. wie wir, in einer dunklen Gasse ein Fläschchen auf den Kopf bekommen haben.
Vergangenheitsbewältigung in „VR“
Ein kleiner Trost bleibt uns in dieser misslichen Lage allerdings: Wir werden unter Verwendung modernster Technik missbraucht. So beglückt uns unser Kidnapper, der sich selbst übrigens Red nennt, mit einem seltsamen Gerät namens Pandora, das in gewisser Weise wie eine VR-Brille funktioniert. Jedoch zeigt es seinem Träger keine virtuelle Shooter-Welten à la Serious Sam, sondern dessen eigene Erinnerungen – frisch aus dem Kopf gesaugt und täuschend echt visualisiert. Auf diese Weise glaubt Red, verlorengegangene Erinnerungen nach und nach wiederherstellen zu können. Dass er dabei auch an sensible Militärinformationen gelangen könnte, wird ihn sicher nicht weiter interessieren…
Bei aller Amnesie ruht in unserem Kopf aber ein kleiner Erinnerungsfetzen von zentraler Bedeutung. Offenbar versuchten wir – wann und in welchem Zusammenhang auch immer – ein von unbekannten Soldaten entführtes Mädchen zu retten, dem freundlicherweise auch noch eine Zeitbombe auf den Bauch gebunden wurde. An einen Stuhl gefesselt verrät sie uns den Code zur Deaktivierung des Sprengsatzes; dann bricht die Erinnerung ab. Unser Instinkt sagt uns, dass die Sache kein allzu gutes Ende nahm – und, dass Reds irre anmutendes Spielchen wohl die einzige Möglichkeit sein dürfte, Licht in unsere bewegte Vergangenheit zu bringen.
Ein beschlagnahmtes Spiel lässt grüßen
Also zischen wir unserem Kidnapper ein missmutiges „Deal“ entgegen, woraufhin uns dieser eine Erinnerung nach der anderen um die Ohren ballert. Zusätzlich hat Red (alias digital verzerrtes Gesicht auf den allerorts angebrachten LCD-Screens) jede Menge Bild- und Schriftmaterial im Krankenhaus deponiert, das vornehmlich Informationen zu unserem Geheimeinsatz „Corner Gun“ enthält (dazu gleich mehr). Weitere Unterstützung erhalten wir in Form einer Multifunktions-Kamera, die sich ähnlich einem Schweizer Taschenmesser als wahrer Hosentaschenschatz entpuppen soll: Umgebungsscanner/-karte, UV-Licht und Thermovision sind nur einige ihrer Gameplay prägenden Funktionen.
Doch wozu eigentlich UV-Licht? Die besonders gewaltbereiten Horrorfans unter euch wissen es spätestens seit Condemned: Criminal Origins, in dessen mäßig überzogene US-Straßenrealität wir uns phasenweise versetzt fühlen. Denn genau wie im düsteren Sega-Brawler verfolgen wir in Get Even gelegentlich Blut- oder Fußspuren, die für das bloße Auge unsichtbar sind – in ähnlich heruntergekommenem Ambiente, mit zum Teil ähnlich abgewrackten Gestalten. Da ist es wahrlich nicht mehr weit bis zum Trostpflaster für die nicht erfolgte PC-Portierung von Condemned 2: Bloodshot, doch den letzten Schritt hierfür gehen die Entwickler leider nicht.
Besonders (und ausgerechnet) das Krankenhaus enttäuscht fast auf ganzer Linie, denn statt witzig-animalischer Psychiatrie-Prügeleien erwartet uns hier lediglich ein selten stattfindendes Mensch-Tontauben-Schießen. Das heißt: Red öffnet eine Zelle, ein an sich wehrloser Patient stürmt hervor, wir jagen ihm ein „leises“ 9mm-Projektil in den Kopf und das war es auch schon. Danach können wir uns wieder dem eigentlichen (und einzigen) Horror des Spiels zuwenden, nämlich dem schier endlosen Lesen von Krankenakten, Zeitungsauschnitten und Notizen. Wer sich von Get Evens horrorartigem PR-Gewand also schaurige Überraschungen erhoffte, kann jetzt eigentlich getrost zu unserem Review von ARAYA übergehen.
Mission „Corner Gun“
Alle anderen werden sich vielleicht für die durchaus vorhandenen Stärken des immerhin dystopisch anmutenden Gelegenheitsshooters interessieren. Diese liegen zum einen im harschen Sounddesign des maßgeschneiderten Electro-Soundtracks, und zum anderen im etwas exotischen, aber sehr funktionellen Stealth-Gunplay. Die Exotik entspringt hier der so genannten Corner Gun, deren Prototypen „wir“ einst aus den streng geheimen Hallen von Advanced Defense Strategies – einer großen fiktiven Rüstungsfirma – entwendeten. Im Gegensatz zu herkömmlichen Totmachern verfügt sie über eine Waffenhalterung, die um 90° nach rechts oder nach links geklappt werden kann. Dank einer integrierten Kamera (zufälligerweise genau das Modell in unseren Händen) können wir auf diese Weise sogar über Deckungen hinwegschießen.
Das klingt nach Spaß, und eigentlich ist es das auch. Uneigentlich schaffen es The Farm 51, die Shooter-Passagen immer genau dann abzuwürgen, wenn unsere Backen gerade eine rote Färbung annehmen wollen. Die Corner Gun ist eindeutig eine Waffe, die ihr volles (Spaß-)Potential erst in größeren Arealen entfaltet – und solche fehlen dem schlauchig designten Get Even beinahe völlig. Ein bisschen Trost könnten hier vielleicht noch die Schleichzonen im Stile eines Metal Gear Solid spenden, doch auch diese fallen, u.a. mangels Dynamik, eher mäßig spaßig aus. Eine tolerantere KI in Kombination mit etwas längeren Abschnitten hätte hier bestimmt Wunder wirken können.
Fazit: Professionalität tötet Spielspaß
Get Even ist ein schwer professionelles Produkt – so professionell, dass wir es an dieser Stelle kaum mehr als „Spiel“ bezeichnen wollen. Es gibt wirklich keinen einzigen Moment, der uns nicht kühl kalkuliert erscheint: Fast wie aus dem Lehrbuch rattern die Entwickler hier ein Programm herunter, das die Arbeit des talentierten Story-Writers kurzerhand ans Ende verschiebt – und den Spielspaß quasi abtötet, bevor er entstehen kann. Da nützen weder der gefällige Humor (Robin-Williams-Fans werden bzw. würden ihn lieben) noch die Unreal-betriebene Schick-Grafik etwas. Bei allen Innovationen ist Get Even schlicht zu „glatt“ und viel zu kompromissbereit.
Trotzdem dürfte der Eine oder Andere seinen Spaß mit dem teils surrealen Thriller haben, denn: Manche mögens sauber. Gerüchten zufolge soll es ja sogar Gamer geben, die tatsächlich noch ein echtes Buch zur Hand nehmen oder The Elder Scrolls III: Morrowind an einem Abend komplett durchlesen. Dieser Gattung sei vielleicht ein kurzer Blick empfohlen; ihr werdet euch allenfalls an einem fiesen „Hängebug“ stören, der Black – bis zum Neustart des Spiels – fest an ein Objekt bindet. Ob die Behebung dieses Bugs wohl im Steam-Preis von gegenwärtig 30 Euro inbegriffen ist? Nun, wir wollen immerhin diesbezüglich positiv sein.