Ach Kinners, wie ist ein Urlaub doch schön: Man fährt mit Kutschen und Raddampfern durch die Gegend, bestaunt steinalte Schlösser und Klammen, besichtigt die Residenzen toter böser Männer, und man rettet heroisch Katzen aus Bäumen. Ja, als ich Samstag aus dem Urlaub zurückkam, war ich echt noch total entspannt.
Doch am Sonntag: die Pressemeldungen. Fallout 76 erhält einen Battle-Royale-Modus? Ich glaube, ich brauche direkt wieder Urlaub. Wenn nämlich Bethesda Softworks (von schmerzlosen Fans als „Betesta“ versprachprügelt) lahmenden Bratpfannen-Shootern und einschlägigen Kinderbolzplätzen nacheifert, dann sind wir nicht nur jenseits von Eden.
Nein, dann hat Bethesda komplett fertig. Natürlich verwest das Unternehmen aus Maryland nicht erst seit gestern am Rande des Originalitätsvakuums. Die hausinterne Kopiermaschine arbeitet spätestens seit The Elder Scrolls 5: Skyrim. Denn eigentlich ist Fallout 3 ja nicht Skyrim mit Knarren, sondern Skyrim ist Fallout 3 mit Äxten. Megaton heißt hier lediglich Weißlauf – und die Atombombe wurde durch eine Talos-Statue ersetzt.
Doch egal. Fallout 3 fand ich gut, Skyrim irgendwie auch. Zum apokalyptischen Reiter des Game-Designs wurde Bethesda erst mit Fallout 4 (und zum Dieter Bohlen des Publishings mit Rage 2 – dieser pseudoanarchischen Ödlandmüllkippe). Was allerdings, behaupte ich, mit einer berechtigten Angst vor einer bestimmten Kreativschmiede zu tun hatte.
Schaffe, schaffe, Häusle klaue
Gemeint sind damit die Mannen von Obsidian Entertainment, die Bethesda im Hinblick auf ein neues Fallout schon länger in den Ohren liegen. Und einfach keine Antwort bekommen. Der mutmaßliche Grund dafür ist Obsidians Fallout: New Vegas, das Fallout 3 in jeglicher Hinsicht überlegen ist. Fallout 4 also den Kaliforniern zu überlassen (oder sie überhaupt nochmal mit einem Fallout-Job zu betreuen), hätte Todd Howard & Co endgültig die Show gestohlen.
Wohl deshalb klaute man sich „Fallout“ 4 lieber zusammen; als ergiebige Quelle erwies sich hier die Neuverfilmung von The Hills Have Eyes. Zwar liegt der modernen Variante des Wes-Craven-Klassikers eine Art Zombieapokalypse zugrunde. Aber ein Protagonist mit einem schäferhündischen Begleiter passte auch prima zu einem postatomaren Setting, das, nebenbei bemerkt, marktgerecht zum sonntäglichen Herbstwaldspaziergang einlud. Mach’s heller und verkauf’ mehr.
Und wenn man schon gerade dabei ist, kann man aus den suburbanen Gebäuden auch gleich die stilprägenden Schaufensterpuppen mitgehen lassen. Denn hey: Das sieht dann glatt so aus, als hätte Bethesda seit Morrowind endlich mal wieder eine gute Idee gehabt.
Für nichts mehr zu schade?
In Anbetracht dessen hatte ich natürlich schon befürchtet, dass Fallout 76 die Feel-good-Apokalypse fortsetzen würde. Dass der Flachdialog-Shooter aber mit Sammelquests beginnen und mit Pay to Win weitermachen würde – das sprengte wirklich meine Vorstellungskraft.
Nun also Battle Royale, diese – meiner Meinung nach – „neue“ Stufe der Multiplayer-Verblödung. Dafür möchte ich Bethesda so lange mit Lootboxen bewerfen, bis Killerclowns aus ihnen herausplatzen. Für kleine bunte Scheinchen mit großen Zahlen scheint mein ehemaliger Lieblingsentwickler mittlerweile alles zu tun. Und das hat zur Folge, dass ich mich auf The Elder Scrolls 6 nicht nur nicht freue. Nein, ich fürchte mich vor dem Teil. Denn zur Gewinnerwirtschaftung geht, wie wir alle wissen, noch sehr viel mehr.
Wie wäre es zum Beispiel mit einer „Erweiterung der Spielerfahrung“ per QR-Code; sprich, mit einem Tütchen Nirn-Lore für persönliche Daten? Oder mit Mikrotransaktionen in einem Singleplayer-Spiel; mit einer Schriftrolle der Alten für nur 29 Cent, und neuen Augen für 5,99 Euro? Mit einem separaten Elder-Scrolls-Launcher, der über den von Steam gelaunchten Bethesda-Launcher gelauncht wird – und der dann plötzlich abstürzt, weil Bethesdas RAM-Überwachungsservice nicht korrekt installiert wurde?
Unsere Dumm- und Trägheit eröffnet börsendotierten Publishern ungeahnte Möglichkeiten. Am besten also, wir kehren ihnen den Rücken.