„Achtung! Ankündigung! Wir werden morgen etwas Tolles für Raft ankündigen!“ Wer den Social-Media-Kanälen von Redbeet Interactive folgt, kennt solche Nachrichten. In Sachen Offenheit und Transparenz und im Austausch mit der Raft-Community läuft das junge Entwicklerteam aus Schweden auch großen Publishern den Rang ab. Wir hatten auf der gamescom die Gelegenheit für ein Interview: über das anstehende große Update, über die Arbeitsweise eines kleinen Entwicklerstudios, und darüber, was auf der langfristigen Roadmap steht oder ob es eine umweltpolitische Intention gibt.
Redbeet Interactive: Indie pur
Auf der gamescom findet ihr neben den Multi-Millionen-Dollar-Publishern wie Blizzard, Blue Byte oder Ubisoft auch ganz kleine Entwicklerstudios, die unabhängig von den Größen der Branche agieren. Viele dieser Indie-Studios teilen sich auf der gamescom eine gemeinsame Fläche. Jeweils ein eigener Stand würde das Budget so kleiner Firmen vermutlich zu stark belasten.
Diese Indie-Area hat einen ganz eigenen Charme, sie ist weniger durchorganisiert und etwas chaotischer als die großen Stände, die halbe Hallen füllen. Dort sind 30 und mehr Rechner aufgebaut, hier teilen sich verschiedene Spiele einen Demo-Rechner. Viele Entwickler sind direkt bei ihren Produkten am Stand, stehen ihrer Community für Fragen zur Verfügung und stellen ihre Spiele zur Diskussion.
Mein Gesprächspartner Victor Heilskov ist Community Manager von Redbeet Interactive. Im Discord-Channel von Raft habe ich entdeckt, dass das Team auf der gamescom ist. Die Vorab-Anfragen für ein Interview per E-Mail waren scheinbar im Alltagsgeschäft untergegangen und unbeantwortet geblieben. Aber über Discord ist schnell Kontakt hergestellt. Die Raft-Entwickler haben gar keinen eigenen Stand auf der Messe – sie sind lediglich da. So findet das Interview im Indie-Style der gamescom statt: Auf dem Fußboden und an die Wand der Messehalle gelehnt.
Das große Update, das wochenlang angeteasert wird
Mittlerweile sind einige Ankündigungen zusammen gekommen: Große Inseln soll es geben, und einen Greifvogel, der dort lebt und sie verteidigt. Außerdem konnte man die Entwicklung des Kugelfischs von der Konzeptzeichnung über das 3D-Modell bis zur ersten Animation verfolgen, wenn man die Entwickler-Kanäle abonniert hatte. Dieser jüngste Gegner der Raft-Familie soll irgendwo nahe Riffen leben, oder auch an Inseln, wo er die Spieler u.U. angreift.
„Warum bündelt ihr die vielen Neuerungen denn in einem Update und kündigt das so intensiv über Wochen hinweg an?“, möchte ich wissen. Der Grund dafür ist so banal wie Victor transparent ist. Der Sound Designer war drei Wochen im Urlaub. Somit geben derzeit weder der Vogel noch der Fisch irgendwelche Geräusche von sich – und auch Soundeffekte, die zu den großen Inseln gehören, fehlen schlichtweg. Das ist bei einem so kleinen Studio vermutlich anders nicht möglich. Und da die Early-Access-Phase ja erst begonnen hat, brauchen die Teammitglieder Urlaub, um bis zum Ende durchzuhalten. Der Sound Designer ist jetzt aber wieder da, so dass es demnächst dann, vielleicht sogar noch im September, wirklich ein weiteres Inhalts-Update mit ordentlichem, neuen Content geben soll.
Keine Roadmap, To-Do-Liste oder Story – nur eine Vision
Und wie geht es nach dem Update weiter? „Das entscheidet sich nach dem Release„, sagt Victor. „Wir setzen uns dann zusammen und überlegen, was ist der nächste Schritt.“ Als ich ihn ungläubig ansehe, erklärt er, dass es zwar eine klare Vision für das Spiel gäbe, dass aber noch nicht alle Details auf dem Weg dorthin festgelegt seien.
Der großen Nutzen, den er in der Early Access Phase sieht, ist der, dass es wahnsinnig viel Feedback der Community gibt und man so Schritt für Schritt schauen könne, was als nächstes dran ist. „Die Idee für die 45° angeschrägten Items zum Ausbau des Floßes kristalliserte sich beispielsweise donnerstags heraus. Am Mittwoch der Folgewoche war sie implementiert.“ Die Programmierung war hier in der Unity Engine denkbar einfach, weil die Engine angeschrägte Objekte bereits berücksichtigt.
Es gibt laut Victor also keine Entwickler-Roadmap mit klaren Vorhaben oder Deadlines. Ebensowenig sei die Story fertig ausgearbeitet: Warum treibt man mit einem Floß auf dem Meer? Ist die Welt überflutet worden? Weshalb treiben im Wasser zwar Palmblätter, aber keine Stämme? Die Bäume hätten dann doch komplett entwurzelt werden müssen – und nach einiger Zeit wären die Palmblätter vermutlich auch verrottet. Warum treibt aber ein unerschöpflicher Vorrat im Meer? Solche Fragen versucht Victor gerade zu beantworten. Dabei soll eine schlüssige Geschichte entstehen, die gleichzeitig spannend zu erzählen ist und Spieler zu fesseln vermag.
Will Redbeet Entertainment ein umweltpolitisches Statement machen?
Riesige Müllteppiche, die auf den Ozeanen treiben und den steigende Meeresspiegel kennen wir aus Dokumentationen oder den Tages-Nachrichten. Gleichzeitig gibt es politische Kräfte, die den Klimawandel als Fake News bezeichnen. In den USA werden Forschungsgelder in dem Bereich gestrichen.
„Seht ihr euer Spiel da als politisches Statement, indem ihr die Apokalypse nach dem Anstieg der Meeresspiegel zeigt?“, möchte ich wissen. Das verneint Victor. Das Spiel sei aufgrund der Idee entstanden, dass man auf dem Ozean treibt und mit dem Wurfhaken lebensnotwendige Ressourcen bergen muss. Anlass für die Weiterentwicklung war das Feedback zu dem kostenlosen Prototypen. Dieses hat die Entwickler dazu bewogen, ihr Studium kurz vor dem Abschluss an den Nagel zu hängen und Redbeet Interactive zu gründen.