[otw_shortcode_info_box border_type=“bordered“ border_color=“#d5d5d5″ border_style=“bordered“ background_color=“#f5f5f5″]
[/otw_shortcode_info_box]
„Versetzen Sie sich in die Rolle eines Psychologen“: Mit diesen Worten beginnt Red Limb Studio, sein finsteres Adventure Rise of Insanity zu preisen. Oha – sollte es sich bei diesem Spiel womöglich um Polen’s Antwort auf The Infectious Madness of Doctor Dekker handeln? Ganz klar: Nein. Denn weder enthält die psychologische Horrornummer des Tymbarker Studios FMV-Sequenzen, noch ist sie mittels mordaufklärender Therapiesitzungen zu lösen. Vielmehr richtet sich Rise of Insanity an die Spieler und Fans von Layers of Fear – und das sehr (sehr) eindeutig.
Rise of Insanity: Die eindrucksvolle Metamorphose
Als wir im August letzten Jahres erstmals unsere Nasen in die Early-Access-Version von Rise of Insanity steckten, zogen wir sie sehr schnell gerümpft wieder heraus. Zwar wirkte das Sitzungszimmer des Protagonisten, Dr. Stephen Dowell, keineswegs ausladend. Der Einrichtungsstil des renommierten Psychologen erweckte gar den Anschein, der rote Teppich Hollywoods führe geradewegs in diese Praxis.
Dann aber standen wir vor der Tür zur Empfangshalle – und sie lieferte uns diesen einen, schlecht übersetzten Satz: „Ich muss hier noch etwas tun“. Glaubt es uns: Die Tür konnte gar nicht so schnell gucken, wie sich der Autor dieser Zeilen aus dem Dreierfenster schmiss. Denn dieser Satz – dieses „You’re leaving the combat zone“ der 70er und 80er Jahre – verfolgt und traumatisiert ihn seit der Erfindung des schlechten Adventures. Aber: Red Limb Studio haben es geschafft. Sie haben binnen sieben Monaten die Kurve gekriegt, inklusive der deutschen Übersetzung.
„Crime scene – do not cross“
Und so tun wir letztlich also doch noch, was getan werden muss: In der First-Person-Perspektive durchforsten wir die Tische und Schränke des Startraums, finden einen großen, bunten Spielball (?), lauschen einem geschwätzigen Diktiergerät, und plötzlich – siehe da, die Tür zur Halle ist offen. Super, aber warum nicht gleich so? Weil es sich bei Rise of Insanity um ein, und dies ließ die Tür ja bereits erahnen, stocklineares Psycho-Abenteuer handelt.
Aber das ist mehr genretypisch als schlimm, sodass für uns nichts dagegenspricht, das in der Halle vorgefundene Mord-Szenario zu untersuchen. Oder etwa doch? Schlagartig erleben wir einen heftigen, optischen Effekt, der die Realität zu verzerren scheint. Verschlossene Türen öffnen sich, das Treppengeländer fällt partiell in sich zusammen, und draußen scheint ein Hexenclan feurig die Walpurgisnacht zu feiern. Ob wir vielleicht die Feuerwehr rufen sollten? Es hat keinen Zweck, denn aus dem Hörer des Telefons dringt bloß eine merkwürdige Stimme. Ist das etwa unser Sohn?
Des Doktors revolutionäre Therapie
Fest steht: Es ist nur einer von vielen konfusen Anrufen, die uns das Gefühl geben, eine Art Vergangenheitsreise angetreten zu haben – wie und warum auch immer. Eventuell ist uns schlicht die biologische Sicherung durchgeknallt, vielleicht schweben wir aber auch als gewissensgebissener Geist umher. Die Tagebucheinträge unserer Gattin jedenfalls verweisen auf ehestrapazierende Forschungen unsererseits; es ging oder geht um eine revolutionäre Therapiemethode, die den IQ eines Menschen zu erhöhen vermag.
Apropos Intelligenzquotient: Für die zugunsten des Spielflusses spärlich gesäten Rätsel benötigen wir eindeutig keine intelligenzfördernde Therapie. Die Puzzles sind, genau wie im Übrigen auch die stylischen Jumpscares, schlaff und vorhersehbar. Daher verschiebt sich der Fokus des Spiels schnell auf die interessante Story, die in ihrem Verlauf ein immer komplexer werdendes Netz aus Zusammenhängen spinnt – ohne dabei jedoch japanischen oder koreanischen Standards nachzueifern.
Auch für etwas schwächere Nerven
Insofern braucht es für Rise of Insanity weder ein Herz aus Eisen noch Nerven aus Stahl. Dafür sorgt mitunter auch der zurückhaltende Soundtrack, der selbst in Momenten der Bedrohung davon absieht, uns unsanft aus dem Leben zu hämmern. Aber: Er hat auch eine Spitze, und diese findet er zweifellos im herrlich melancholisch gesungenen Outro-Song. Hier muss man sagen, dass selbst ein erfahrener Filmregisseur keine bessere Wahl hätte treffen können.
Ebenso scheinen die Entwickler in Sachen Engine auf das richtige Pferd gesetzt zu haben. Denn auch, wenn der Name „Unity Engine“ so manchem Ohrenpaar ein Tinnitus sein mag, hat Red Limb Studio das Ding klar im Griff. Entsprechend ordentlich ist das allgemeine Spielgefühl, sodass wir über die zwei, drei FPS Drops in effektreicheren Gegenden – Achtung, brachialer Wortwitz – spielend hinwegsehen können.
Fazit: Eine solide Horror-Veranstaltung
Nicht zuletzt aufgrund seiner fordernden künstlerischen Darstellungen zählt Rise of Insanity zu den etwas anspruchsvolleren Vertretern des Genres. Ihr seid auf der Suche nach einer paranormalen (Schieß-)Prügelei? Dann werdet ihr leider Gottes weitersuchen müssen. Red Limb Studio vergeben ihre Leckerchen hauptsächlich an Fans des subtilen Horrors, die darüber hinaus auch eine komplexe Geschichte zu schätzen wissen.
Der gegenwärtige Steam-Preis von runden zehn Euro schmeckt uns angesichts des Gebotenen recht gut, allerdings tendiert der Wiedererlebenswert des Spiels – ob seines linearen Verlaufs – praktisch gen null. Der Deal lautet demnach: Zehn Tacken für drei Stunden gelungene Schauer-Unterhaltung. (Und wer von euch nun versucht sein sollte, einzuschlagen: Pscht, macht es ruhig.)