Einmal NASA spielen und Milliarden-Vermögen an Geldern in eine Weltraumstation investieren? Stable Orbit vom niederländischen Studio Codalyn lässt Spieler ihre Version der ISS errichten und im harschen Weltall verwalten.
Aller Anfang ist schwer
Mit 5 Milliarden Dollar auf dem Konto und nicht dem blassesten Schimmer von Weltraumtechnik starten wir in unsere verantwortungsvolle Position. Das uns anvertraute Objekt ist die Internationale Raumstation, die sich – noch – in einem stabilen Orbit befindet. Sie bietet bisher Wohnraum für einen Astronauten, kleine Solarflügel und natürlich ganz viele Steckplätze für zusätzliche Module.
Ohne groß nachzudenken pappen wir alles was wir finden können auf unsere Raumstation: Größere Solarsegel, eine zweite Kabine für eine größere Besatzung, ein Kühlsystem, einen Converter, der Müll zu Trinkwasser macht – für alles ist Geld die Ressource. Dazu noch ein Sauerstoffgenerator, wir sind ja nicht blöd. Ein Forschungslabor darf natürlich nicht fehlen, finanzieren wir ja schließlich mit wissenschaftlichen Aufträgen unsere Arbeit. Dann ist das Geld alle, und wir betrachten unsere schon ganz eindrucksvoll gewachsene Station – und entdecken unseren ersten Fehler. Wir haben vergessen, eine Andockstation für Shuttles zu bauen. Ohne diese kann kein Astronaut auf die Station gelangen. Und ohne Besatzung keine Forschung, ohne Forschung kein Geld. Wir haben uns in eine Sackgasse gebaut, und unsere leere Station wird zu Weltraummüll. Neues Spiel.
Zweiter Anlauf: Dieses Mal lernen wir dazu, wir bauen zuerst die Station für das Shuttle, dann noch einige andere interessante Module und heben uns noch ausreichend für das Forschungslabor auf. Doch wir haben die laufenden Wartungskosten nicht im Kopf behalten. Gerade, als wir das Forschungslabor bauen möchten, springt das Bankkonto unter die kritische Marke von 1,5 Milliarden Dollar. Wir haben keine Möglichkeit neues Geld zu verdienen und unser inzwischen angekommener Astronaut sitzt nutzlos im All. Neustart.
Dieses Prinzip von Trial & Error (es erinnerte uns an das Apollo-Programm) werden wir noch öfter erleben: Mal fehlt die Batterie um das Andockmanöver des Shuttles durchzuführen, mal können wir uns die Kühlung nicht leisten und die Station überhitzt in Rekordzeit. Mal geht uns der Sauerstoff aus, mal verdurstet unsere Crew. Es ist vermutlich diese Phase, in der wir jedes Mitgefühl mit Peter Umlauf und anderen generischen Weltraum-Helden verloren, die wir wie Versuchskaninchen auf unsere Station schickten.
Zurück ans Zeichenbrett
Es gilt also genaues Abwägen, welchen Inhalten wir Priorität geben, um einen möglichst kleinen, aber funktionierenden Lebenszyklus auf unserer Station aufzustellen. Gleichzeitig müssen wir die Forschung ans Laufen kriegen, um neue Bauaufträge überhaupt möglich zu machen.
Haben wir diesen minimalen Zyklus ans Laufen gekriegt, werden nach und nach die Strukturen der Station ausgebaut. Um mehr Elemente am Laufen zu erhalten, müssen mehr Solarzellen und Batterien errichtet werden. Das erfordert wiederum eine verstärkte Kühlung. Um mehr zu forschen – was rein optional ist – müssen die Vorratskammern für Wasser und Nahrung aufgestockt werden, ebenso wie die Sauerstoffgeneratoren und -tanks. Dann wird ein neues Quartier gebaut, und das nächste Shuttle bringt automatisch die neuen Astronauten mit sich.
Plötzlich geht alles ganz schnell. Nach einer guten halben Stunde mit einem funktionierenden Start besitzen wir eine Raumstation mit 7 Astronauten, zwei Forschungslaboren und gewaltigen Vorräten an allem, was das Astronautenherz braucht. Endlich finden wir etwas Ruhe und betrachten unter uns den gewaltigen blauen Planeten und all die Länder bei Tag und ihre Beleuchtung bei Nacht. Grafiktechnisch ist hier nicht das höchte rausgeholt worden, was aber niedrigklassigeren Rechnern in der Performance zugute kommt. Es hat schon etwas friedliches hier oben.
Zu schön, um wahr zu sein?
Stable Orbit ist ein guter Ansatz einer Weltraum-Simulation. Das kleine Studio Codalyn hat die wichtigsten Elemente zusammengeführt und in ein Bildschirmschoner-würdiges Szenario gelegt. Das Problem liegt in der Spielmotivation: Nach unseren milliardenschweren Testprojekten, von denen einige nur wenige Minuten bis zum Neustart in Anspruch nahmen bis wir sie auch schon wieder in der Planetenatmosphäre verglühen ließen, kamen wir doch schnell auf einen funktionierenden Zyklus. Und sobald wir diesen hatten, begann das Spiel auch schon, fade zu werden. Weswegen sind wir hier oben? Entdecken wir neues Leben? Gelingt uns ein medizinischer Durchbruch?
Die virtuelle Realität ist ernüchternd. Schnell verlieren wir den Überblick über all die resultatlosen Forschungsprojekte, die durch unseren Verlauf fliegen und unser Vermögen rasant auf 15 Milliarden Dollar anwachsen lassen, womit wir uns rechnerisch noch eine zweite Station bauen könnten. Und wozu? Nach gerade einmal vier Stunden haben wir das Gefühl, alles im Spiel erlebt zu haben und kehren Stable Orbit den Rücken, um zur Erde zurückzukehren. Für 15 Euro haben wir uns leider mehr erwartet.