Heutige Computer- und Videospiele haben eigentlich alles, was man sich wünschen kann. Allerdings geht es nach wie vor „lediglich darum, herumzurennen und auf Dinge zu schießen, Dinge zu schlagen oder Dinge auf Dinge zu schmeißen“ (Paul Norman, Entwickler-Veteran). Eine diese Regel bestätigende Ausnahme war Project Zero, das vor 15 Jahren erschien und dem Survival-Horror-Genre ein völlig neues Kampfkonzept bescherte.
„Schockierender als Silent Hill 2“
Project Zeros Geburt fiel in Zeiten, als klotzige Röhrenfernseher die klotzigen Grafiken klotziger Konsolen darstellen mussten. Als 128-Bit-Spielemaschinen nicht nur damals aktuelle Spieletitel, sondern auch Heft-DVDs offizieller Konsolenmagazine um die eigene Achse drehten. Als jene Magazine noch auf einem Stapel von Tomb-Raider- und Baphomet’s-Fluch-Lösungsbüchern zu liegen kamen.
Und als Das Offizielle Playstation 2 Magazin im Jahre 2002 titelte: „Schockierender als ‚Silent Hill 2‘: Spielt den Horror-Hit jetzt – wenn ihr euch traut!“.
Diese promotionale Ansage mit dezentem Äpfel- und Birnen-Aroma bezog sich auf Tecmos Fatal Frame, das in Europa unter dem Namen Project Zero vertrieben wurde. Die Silent-Hill-Referenz sollte dem experimentellen Triple-A-Titel den Start hierzulande etwas erleichtern, doch letztlich etablierte sich der PS2- und Xbox-Horrortrip gerade wegen seines unkonventionellen Gameplays.
Geister … knipsen?!
Eine interessante Tatsache, denn trotz Human Entertainments Clock Tower (1995) und einiger Amnesia-Vorreiter wie Hellnight (1998) hielt sich vorerst die Auffassung, dass Survival-Horror mit herkömmlichen Waffen zu bestreiten sei. Entsprechend ungläubig durchsuchten wir das Inventar der Project-Zero-Protagonistin – zunächst nach einer Pump Action Shotgun, dann nach einer halbwegs kampftüchtigen Bratpfanne und zu guter Letzt nach scharfkantigem Papier.
Es gab nichts von alldem. Da war lediglich diese antik wirkende Fotokamera, die – und das muss man sich mal vorstellen – nicht einmal böse kicherte.
Versöhnlicherweise verbarg sich hinter dem verheißungsvollen Namen Kamera Obskura jedoch keine Zeichenhilfe für 400 Jahre alte Künstler. Vielmehr förderte der olle Knipskasten all die Dinge zutage, die mit bloßem Auge nicht erfasst werden können – Geister zum Beispiel. Und das Beste: Er konnte bösen Geistern so richtig schön die Nacht versauen.
Allzu kampfhahnbrüstig stolzierten wir dennoch nicht durch die dunkle Spuk-Villa, in der Mafuyu – Bruder der Protagonistin Miku Hinasaki – vor mehreren Tagen verlorenging. Die Handhabung der vor Ort aufgenommenen Kamera war nämlich nicht nur der Kern, sondern auch die Schwierigkeit des Spiels. Wollten wir also einem angreifenden Geist einen paranormalen Klaps verpassen, mussten wir ihn eine Zeit lang im Sucher behalten. Zwar richteten verfrühte Fotos ebenfalls Schaden an, doch richtig „schlagkräftig“ wurde die Kamera jeweils erst nach einigen Sekunden.
Erschwerend kam hinzu, dass es sich bei Tecmos Pionierwerk grundsätzlich um ein Third-Person-Abenteuer handelte, dessen behäbige Steuerung oft Gewitterwolken durch die Stube ziehen ließ. So war es in der First-Person-Perspektive der Kamera kaum möglich, den Abstand zu herannahenden Geistern auf bequemem Niveau zu halten. Immer wieder musste die Fotosession unterbrochen und gefahrbehaftet der Standort gewechselt werden – vor allem im späteren Spiel.
Neuer Wein in alten Levelschläuchen
Ganz im Gegensatz zu uns wechselte die selten schwenkende Spielkamera nie den Standort. Genau wie Resident Evil und Konsorten setzte Project Zero – fern des neuartigen Kampfsystems – auf Survival-Horror der ganz alten Schule. Genauer: Auf puzzlebetriebenes Adventure-Gameplay mit willkommen komplizierten Kämpfen und allgegenwärtigem Filmmangel.
Dies taten auch die beiden Nachfolger Crimson Butterfly und The Tormented, obwohl die Verkaufszahlen der gesamten Serie erst im Jahre 2014 siebenstellig wurden. Zum Vergleich: Silent Hill 2 knackte die Million bereits während des ersten Verkaufsmonats; ähnlich verhielt es sich beim zeitgenössischen Grand Theft Auto III.
Andere Wege ging erst das 2008 erschienene Project Zero 4: Mask of the Lunar Eclipse, das die gemeinhin übliche Verfolgerkamera einführte und ausschließlich Nintendos Wii heimsuchte. Die Seriennummer 5, Maiden of Black Water, zeigte sich nicht minder Wii(U)-verliebt.
Nicht zuletzt deswegen erschien vor drei Jahren endlich ein Zero-Klon für Windows-, Linux- und Mac-Rechner (DreadOut), für den die indonesischen Entwickler von Digital Happiness bis heute schallend geohrfeigt werden. Getreu dem Motto „Was uns nicht tötet, härtet uns ab“, blieb das standhafte Indie-Studio mit DreadOut: Keepers of The Dark allerdings am Ball – und konnte sich dadurch deutlich verbessern.
Vielleicht wird es demnächst also Digital Happiness sein, die uns ein würdiges PC-Pendant zum Nintendo-assimilierten Fatal Frame liefern werden … Und bis (hoffentlich) dahin bleibt uns nur zu sagen:
Happy Birthday, Project Zero!