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Na, wer von euch hat denn schon Erfahrungen als Serienkiller sammeln können? Ach, nur der Herr dort hinten in Schwarz? Gut, für Sie wird das hier besprochene Spiel des französischen Entwicklers Ezhaac Studios wahrscheinlich weniger interessant sein, denn The Fan geht kaum über die Basics für Frauenmörder hinaus. Allen anderen aber bietet es eine recht unkonventionelle Erfahrung, denn wann dürfen wir in Computerspielen schon einmal fotorealistische Frauen quälen?
Heute ein Psychopath
Oh-oh, das klingt aber problematisch, was? Keine Sorge: Wir waren nicht etwa in den finstersten Ecken des WWW unterwegs, sondern bloß auf Steam. Auch bezweifeln wir, dass die seltsamen Gestalten der USK mehr als ein starkes Nasenrümpfen für das jüngst erschienene Horror-Point-and-Click übrighaben werden, zumal die Gewaltdarstellungen im Spiel keineswegs am völligen Abgrund des Menschseins stattfinden. Im Grunde gehen sie kaum über diese hübschen Schnitter-Szenen eines etwas schonungsloseren Fernsehkrimis hinaus.
Alles klar? Gut, schlüpfen wir also in diese kranke Haut eines „frauenliebenden“ Serienmörders, der sein Lager irgendwo im Pariser Untergrund aufgeschlagen hat. Hier reiht sich Kellertür an Kellertür – und wir können nur erahnen, dass sich hinter jeder dieser Türen eine mehr oder weniger ansehnliche Frauenleiche befindet. Das heißt, in einem ganz bestimmten Kellerraum wird definitiv noch CO2 produziert: Nathalie heißt die Arme. Sie ist unsere jüngste „Errungenschaft“; eine Frau, die wir lange Zeit im alltäglichen Leben beobachtet und mit Bedacht ausgewählt haben.
Aber was wollen wir eigentlich von Nathalie? Nun, wir scheinen es vornehmlich auf verlobte Frauen abgesehen zu haben, denen wir – bei leckerem Schmutzwasser und Glibber-Reis – erneut einen Antrag machen. Nicht irgendeinen, wohlgemerkt: In der Rolle (oder zumindest im Kragenhemd) des jeweiligen Verlobten stellen wir genau den Antrag nach, den das selbstredend verstorbene Original der Dame einst machte. Und dann, na ja … Es hängt wohl alles von der Antwort der Angefragten ab, die offenbar noch nie zu unseren Gunsten ausfiel. Seltsam.
Ich klick dir die Kehle durch
Wie eingangs schon angedeutet, handelt es sich bei The Fan um ein rein fotobasiertes Adventure, das in der Praxis wie ein Wimmelspiel funktioniert. So können wir uns im Startraum beispielsweise eine echt gestörte „Nathalie-Sammlung“ (Haarsträhne, benutzte Küchenrolle, Plastikbesteck) oder unser Werkzeug für Heiratsunwillige anschauen. Gleich nebenan wartet auch das an einen Stuhl gefesselte Objekt unserer Begierde auf unsere Interaktionen, die zugegebenermaßen sehr interessant ausfallen können (nein, nicht so).
Dies alles kann – und muss – jedoch eher als irres Beiwerk betrachtet werden. Unser eigentliches Ziel ist es, die zur Nachstellung des Antrags benötigten Objekte zu besorgen, die wir u.a. in den Wohnungen der Liebenden finden. Hier offenbart sich dann auch die größte Stärke von The Fan, die ohne Zweifel im Bereich der Atmosphäre liegt. Wird es uns „normalen“ Menschen nämlich ohnehin schon gruselig genug vorkommen, in der Rolle eines Psychopathen fremde Wohnungen zu durchwühlen, verschafft uns der äußerst gelungene Soundtrack ein zusätzliches Gefühl der Beklommenheit. Vor allem dann, wenn wir das junge Liebesglück mit einem „Ritsch“ für immer zerstört haben.
Leider schwächelt das Spiel in seiner Rolle als Adventure, da es über keinerlei Kombinationsrätsel verfügt. Es geht fast ausschließlich darum, die zum Teil sehr gut versteckten Requisiten für das bizarre Antragsschauspiel zusammenzutragen – und zu guter Letzt über das Schicksal Nathalies zu entscheiden: Leben oder Tod, das eine Ende oder das andere … Es liegt ganz bei uns. Begrenzt wird unsere Beinahe-Allmacht nur durch das grundsätzlich praktische Autosave-Feature, das eine allzu schnelle Sichtung beider Spielenden vereitelt. Um genau zu sein, müssen wir für das jeweils andere Finale ganz von vorne beginnen.
Fazit: Kurz & krass
Obwohl Ezhaac Studios den Auslöser der Kamera recht häufig (und gekonnt) betätigt haben, ist The Fan ein Fall für die viel zu lange Liste der „Gut, aber zu kurz“-Spiele. Die Geschichte um den Pariser Frauenmörder endet viel zu abrupt – und lässt uns ein wenig mit dem Gefühl zurück, soeben einen halben, klischeebehafteten Psychothriller gesehen zu haben. Es fehlt dieses eine große Ereignis, die dramatische Wendung – oder überhaupt eine nennenswerte Überraschung, wie etwa kleine skurrile Geschichten im Privatleben unserer Opfer.
Auf der anderen Seite versprechen uns die Entwickler (dankenswerterweise) nicht das Blaue vom Himmel. Zumindest mittlerweile ist auch das letzte Bisschen Himmelblau („Unique plot twist“) aus der Spielbeschreibung entfernt worden, sodass wir die mit 5,99 Euro bepreiste „Fotostory“ bedingt empfehlen können. Wer immer brav seine Steuern zahlt (Uli) und meistens über einen vollen Kühlschrank verfügt, wird sich über das Preis-Leistungsverhältnis sicher nicht beschweren. Ihm wird immer noch diese nicht ganz alltägliche Erfahrung zuteil, in der Rolle eines kranken Hirnes einige ziemlich kranke Dinge zu tun.