[otw_shortcode_info_box border_type=“bordered“ border_color=“#d5d5d5″ border_style=“bordered“ background_color=“#f5f5f5″]
[/otw_shortcode_info_box]
Als Gruselfans kennen wir das ja mittlerweile: jungsche Maid verirrt sich in stillgelegte Nervenheilanstalt und ab geht die Luzi. Wer schon mal das Schild mit dem Gähn-Emoji hoch heben möchte, halte inne, denn diesmal ist alles anders. Das geht schon bei der etwa viertelstündigen Installation los, ehe man das Spiel überhaupt gestartet hat. So können wir uns ganz aufgeregt der Vorfreude widmen. Das Horrorspiel, das kein Horrorspiel ist, so wurde es bereits beschrieben, denn hier soll explizit vermieden werden, die gängigen Klischees rund um das Thema psychische Erkrankungen und entsprechende Behandlungen zu bedienen.
Passenderweise wurde als Schauplatz eine real existierende, still gelegte Klinik gewählt, nämlich das Ospedale Psichiatrico di Volterra, und wie zum Beweis liegen der BluRay für uns ortsunkundige Mitteleuropäer auch ein paar hübsche Fotos bei. Zwar ist die Figur der Renée T., so unsere Protagonistin mit Namen, fiktiv, ihre Geschichte aber aus realen Einzelschicksalen zusammen gestellt worden und soll uns so die Zustände um das Jahr 1942 herum rückwirkend greifbar machen.
Gestörte Sichtweise
Etwas altbacken wirkt leider auch die Umsetzung: Der Schauplatz wurde möglichst originalgetreu virtuell nachgebaut, doch machen sich bald Zweifel breit, ob Italien denn damals tatsächlich so niedrigaufgelöst war und Objekte in Armeslänge Entfernung plötzlich beim Näherkommen ihre Form änderten. Das ist schade, denn Mühe und grundsätzliche Liebe können wir der Darstellung ohne weiteres abnehmen. Geschlampt wurde hier also sicherlich nicht. In Bewegung fallen die Mängel trotzdem leider zu oft ablenkend auf, sowohl in den engen Innen- als auch den weitläufigeren Außenarealen.
Zweites Standbein eines jeden Horrorgames ist natürlich die Klangkulisse und auch diese zeigt auf, dass hier eher Künstler als Könner am Werk waren. Musik und Kulisse sind an sich schön gemacht, wenn auch selten bemerkenswert, erklingen jedoch zu spontan und brechen abrupt ab. An einer Stelle soll uns das Klingeln eines Telefons leiten, nur leider können wir weder hören, aus welcher Richtung es ertönt, noch wird es je nach Entfernung leiser oder lauter. Ab und zu werden kurze Gruselklassiker wie knarzendes Holz, Gepolter oder auch einfach nur seltsame Töne abgespult, es ist insgesamt aber leider zu wenig. Hier können wir wenigstens den Zweifel einräumen, dass Entwickler lka.it es eben nicht übertreiben wollten mit dem Horrorgame-Gedöns. Die englische Sprachausgabe lässt zum Glück nichts zu wünschen übrig, wir haben nie das Gefühl, dass jemand einfach nur Text vom Blatt abliest – ironisch, da ein Großteil der Geschichte über das Ablesen von Texten von Blättern erzählt wird. Der deutsche Ton wird von wohl bekannten Let’s Playern übernommen und beim kurzen Reinhören fiel zumindest nichts negativ auf.
Wirre Handlung
Das ist durchaus positiv gemeint, wenn es für ein Horrorspiel auch recht zahm zugeht, da man es bodenständig halten wollte. Zwar gibt es gut verteilt einige Wahnvorstellungen und verschrobene Erinnerungen zu beobachten, das Grauen soll allerdings eindeutig eher aus den Unterbringungs- und Behandlungszuständen der Patienten in unseren Köpfen entstehen.
Hier wurden etliche Chancen verpasst, denn allzuviel bekommen wir nicht mit. Die meisten Dokumente, die sich nicht direkt auf die Story selber beziehen, sind irgendwelche Standardformulare, oft nicht einmal ausgefüllt. Dafür können wir Poster mit anatomischen Darstellungen an den Wänden und ein paar alte medizinische Instrumente anstarren. Wir erfahren leider nichts, was nicht jeder, der schon einmal einen Spielfilm zu dem Thema gesehen hat, eh schon kennt, eine sehr kurze Abhandlung über das Lobotomie-Verfahren gegen Ende ist da noch das ausführlichste. So fühlen wir uns die meiste Zeit leider wie in einem Museum ohne Exponate.
Dabei sollte es ja konkret um den Stand der Psychiatrie in dieser Zeit gehen und dazu hätte es sicherlich mehr Stoff gegeben als die wenigen abgedroschenen Info-Häppchen, die es letztlich ins Spiel geschafft haben. Alles schon mal gesehen trifft irgendwie auch auf Renées eigene Geschichte zu, die zwar an sich nicht uninteressant ist und auch gut geschrieben, aber gezielt jedes Klischee ansteuert, das wir von dem Setting erwarten. Schön ist, dass wir ihre Gedankengänge mitverfolgen dürfen und sich dadurch auch ab und zu Unwohlsein breit macht, denn gesund ist Renée leider auch bei ihrer Rückkehr zu den Ruinen Volterras Jahre später nicht. Netterweise können wir durch eigene Entscheidungen auch Einfluss auf den Verlauf nehmen, was zwar etwas merkwürdig ist, da sich mental erkrankte eher selten aussuchen können, wie sie die Welt wahrnehmen, doch ist so für Wiederspielwert gesorgt.
Gameplay unter Sedativa
Das wäre noch schöner, wenn The Town Of Light denn auch etwas mehr Spiel böte. Dass wir anhand von Erinnerungen und spontanen Eingebungen von einer Ecke der Anstalt in die nächste gescheucht werden, ist zwar einigermaßen originell, dazwischen geht es aber leider kaum über Walking Simulator hinaus. Die wenigen Aktionen, die zum Weiterkommen nötig sind, werden uns direkt vorgekaut, so dass wir hier nicht von Rätseln sprechen können. Darf man mögen, nur fühlen wir uns mittlerweile von dieser Art Spiel leider etwas übersättigt, speziell wenn es bessere Exemplare gibt. The Town Of Light fühlt sich an, als wäre es als Kunstband wesentlich interessanter gewesen statt als letztlich etwas schwachbrüstiges Spiel.
Irgendwelche Gefahrenquellen oder ähnliches fehlen dem Spiel übrigens komplett und es wird auch nicht versucht, zumindest die Illusion zu erzeugen, man sollte vorsichtig sein. So kann man das Gelände einerseits in Ruhe erkunden und es auf sich wirken lassen, andererseits hätten wenigsten ein paar Zwischenfälle für Abwechslung und beschleunigten Puls sorgen können.
Fazit
Bei The Town Of Light handelt es sich um ein gut gemeintes und engagiert umgesetztes Projekt, letztlich muss es sich aber nun mal auch als Spiel messen lassen und erreicht dort in fast allen Belangen leider nur Mittelmaß. Zumindest ist auch nichts wirklich schlecht, so dass am Thema Interessierte ihre Freude haben können, zumal die Story, wenn schon nicht allzu originell, doch solide genug ist.
Auch wenn ich nicht von jedem Spiel komplexes Gameplay erwarte, fühlte ich mich bei The Town Of Light zu wenig eingebunden. Viel mehr als Durchlaufen und vor allem Lesen wird einem nicht abverlangt und dafür ist die Präsentation leider nicht überzeugend genug. Auch zu lernen gibt es trotz des Geschichtsbezugs nichts und das fand ich besonders schade, denn der realistische Ansatz abseits von Jumpscares und Psychokillerquatsch war für mich das Hauptargument. Bleibt also nur die Story als Anker und die ist okay, mehr nicht. Atmosphärisch schwankt das Spiel unentschieden zwischen Melancholie und Grusel, wirkt dadurch halbherzig.