Der 23. Juni 2018 – wir berichteten euch von den Plänen der EU, mit Artikel 13 und 11 Uploadfilter und Linksteuer einzuführen, die das Internet wie wir es kennen massiv bedrohen. Drei Monate und eine Ablehnung später, ist die neue Urheberrechtsreform vorerst durchgewunken. Was bedeutet das für den einzelnen User und wie wirkt es sich auf das Internet aus?
Das besagen Artikel 11 & 13
In Artikel 13 wird gefordert, dass alle Firmen und Webseiten selbst dafür sorgen, dass urheberrechstgeschützter Content überprüft und im Falle eines Verstoßes entfernt wird. Dabei wird es den Betreibern solcher Seiten freigestellt, einen Algorithmus oder Menschen zur Überprüfung zu verwenden. Im ersten Anlauf war das nicht beschrieben.
Clever nicht wahr? Einfach eine unmöglich zu erfüllende Forderung zur „Wahl“ stellen und schon erscheint der Entwurf realistischer umsetzbar. Denn Firmen wie Google, Youtube, Facebook, Instagram oder Snapchat müssen auf Algorithmen zurückgreifen. Zu viele Posts werden jeden Tag hochgeladen.
Wir sehen bereits am derzeitigen Content ID-Algorithmus von Youtube, dass solche Methoden noch lange nicht ausgereift sind. Zu oft kommt es vor, dass Videos fälschlicher Weise gesperrt werden, da das System weder Satire noch bereitgestellte Ausnahmen oder Zitatrecht erkennt.
Kleinere Firmen werden noch schwerer getroffen. Sie können schlichtweg keine Mittel aufbringen, um eigene Algorithmen zu erstellen. Sie müssen auf Drittanbieter zurückgreifen. Das gibt eben jenen Drittanbietern die Kontrolle über die Posts und Uploads von mehreren Millionen Nutzern.
Artikel 11 in der Kurzfassung: Das Verlinken und Weiterleiten von Informationen wird Lizenzpflichtig. Linktax oder zu deutsch Linksteuer wird das genannt. Das Problem äußert sich vor allem bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Denn wenn Papa-Google nicht bereit ist zu featuren, stürzt der Traffic und damit der Großteil der Werbeeinnahmen ein.
Widerstandskämpfer Google?
Alphabets Tochterfirma Google weigert sich seit je her solche Unternehmungen zu unterstützen und zahlt einfach nicht. Für gewöhnlich sind die Einnahmen von Alphabet hoch genug, um die anfallenden Strafgebühren einfach zu zahlen und weiterzumachen. In diesem Fall reicht dieses Vorgehen aber nicht.
Werfen wir einen Blick nach Spanien: Dort wurde die Linksteuer bereits mit verheerenden Auswirkungen getestet. Googles Verweigerung die Steuer zu zahlen führte dazu, dass Google News abgeschaltet wurde. Die Folge war abzusehen: Der Traffic vieler Webseiten brach samt deren Einnahmen ein. Wer nicht Stammleser, -Höhrer oder -Zuschauer war, erfuhr nicht vom neuen Content.
Zwischen Schwarzmalern, Kritikern & Blinden
Während die einen von der totalen Vernichtung des Internets ausgehen, äußern andere teils sanfte und teils harsche Kritik und andere verschließen ihre Augen vor dem Problem und winken es als gewöhnungsbedürftig ab.
Die Wahrheit steckt, wie so oft, wohl irgendwo in der Mitte. Das Internet bietet Menschen seit Beginn den Freiraum, sich über alles äußern zu können – egal ob negativ oder positiv.
Die Argumente der Schwarzmaler
Die Kritik vieler User: Erst wurde darüber debattiert, ob das Aussprechen von kindischen Beleidigungen oder harte Kritik an diversen Fronten, als Hassrede abgestempelt und entfernt werden sollte. Jetzt wurde beschlossen, dass das Urheberrecht über allem anderen steht.
Zu einseitig sei dieses Statement, sagt die Politik. Aber dort, wo etwas missbraucht werden kann, wird es missbraucht. Es muss sich erst zeigen, wie kulant sich Betroffene verhalten, wenn ihre Werke wiederverwertet werden. In der Theorie ist es dennoch möglich, eine Review/Nachricht auf einer beliebigen Seite sperren zu lassen, weil sie dem Entwickler/Urheber nicht passt. Als Grund wird dann einfach angegeben, dass Bildmaterial ohne Einverständnis genutzt wird. Doch zählen wir das eher in die Schwarzmalerei.
Das sagen die Befürworter
Der mit Peitschenhieben maßgeblich vom Springer-Chef Mathias Döpfner und Abgeordneten Axel Voss vorangetriebene Entwurf der URR, sollte die journalistische Vielfalt bewahren und schützen und gleichzeitig Google von seinem Monopol stürzen.
Was im ersten Moment sinnvoll klingt, erweist sich nach einem Augenzwinkern als völlig an den Haaren herbeigezogen. Der wahre Grund liegt im Egoismus von Döpfner. Der Spiegel bezieht laut eigenen Angaben ca. 70% seiner Aufrufe aus direktem Traffic. Nur rund 30% davon stammen von Google. Er verliert also selbst dann nicht, wenn Google hierzulande den selben Weg wie in Spanien einschlägt.
Alle anderen tragen, wie im oben genannten Beispiel, immensen Schaden davon. Somit wirken Döpfner, Voss und alle anderen Verantwortlichen der journalistischen Vielfalt, die sie so sehr zu lieben scheinen, entgegen und fördern sie nicht.
Das der neue Entwurf gezielt Kleinunternehmer herausnimmt und ihnen eine Art Freifahrtschein gewährt, zeigt, dass die Befürworter sich der negativen Auswirkungen für andere Firmen, die ihren Traffic zu großen Teilen aus Google-Aufrufen beziehen, bewusst sind.
Wie geht es weiter nach der Order 66?
Noch ändert sich nichts. Jetzt beginnen erst einmal Gespräche und Verhandlung mit allen Mitgliedstaaten, in welchem Ausmaß der Entwurf endgültig angenommen und ausgeführt wird.
Wir können also nur jedem Einzelnen raten, sich weiterhin offen gegen diesen Gesetzesentwurf auszusprechen, andere zu informieren und sich gegebenenfalls an den nächsten Abgeordneten zu wenden. Per Brief, Petition oder im Notfall auch via Mail könnt ihr ihn oder sie wissen lassen, welche Auswirkungen Artikel 11 und 13 haben können.