An Weihnachten einmal besinnlich sein? Das klappt bei den Wenigsten automatisch. Wieso sollte ich am 24. Dezember - wo ich ohnehin frei habe - denn keine Videospiele spielen? Doch gerade für die Weihnachtszocker unter uns gibt es heute einen kleinen Gedanken.
Diesen Satz lese ich heute vermehrt bei all den Online-Spielen, die ich so zocke. Mit dieser Aufforderung versuchen Spieler einander zu beschwichtigen, wenn nach der Niederlage einmal mehr der Gewinner, Verlierer oder das eigene Team geflamed werden. Und erstaunlicherweise funktioniert das gerade heute sogar relativ gut. Doch Weihnachten ist nur einmal im Jahr.
2017 war wie auch die vorherigen Jahre geprägt von Hass. Dabei tut sich auch die Spielecommunity bei Weitem nicht als positives Vorbild hervor. Aus kompetitivem Stress, Frustration über die Handlungsweise anderer Spieler oder manchmal auch einfach eigenem Unvermögen werden wir wütend, wo wir uns eigentlich entspannen wollen. An dieser Stelle habe ich mir angewöhnt, vor meinem ausgeschalteten Mikro zu fluchen und zu zetern.
Diese Rücksicht nimmt nicht jeder, denn schnell ist man entmutet und erbricht seinen Wutanfall in unflätigen Wellen von Geschrei und Beleidigungen ins Spiel. Sei es Sexismus gegen weibliche Spieler, Rassismus gegen Spieler anderer Sprachen oder einfach jede erdenkliche Art geistigen Durchfalls, die einem spontan einfällt.
Die Wut ist allgegenwärtig. Gerade im Survival-Genre ist das PVP an der Tagesordnung und Spieler sind frustriert, wenn sie nach einer bisher gut verlaufenen Spielrunde ihr Ableben finden. Mal sind sie wütend über verlorenes Equipment; mal denken sie, ihr Gegner würde hacken; mal haben sie einfach nur einen schlechten Tag.
Rust ist bereits berüchtigt für Communitys von Spielern, die äußerst feindlich gegenüber "Außenseitern" sind. Ebenso gibt es in fast jeder anderen Spielcommunity immer wieder Streit und Zwietracht um nichtige Themen. In PlayerUnknown's Battlegrounds höre ich den Hass meiner niedergestreckten Gegner, nur selten höre ich ein resigniertes "gg".
Auch außerhalb des Spiels nimmt Hass einen großen Platz in den Spielcommunitys ein. Es ist faszinierend, wie schwer viele Spieler gegen die Entwickler ihres Lieblingsspiels wettern. Man sagt, "ohne Liebe kann kein Hass entstehen" - so ist es vermutlich Frustration darüber, dass die Entwickler den Erwartungen ihrer Spieler nicht unmittelbar nachkommen können. Es herrscht bei den Spielern oft ein generelles Unverständnis für Entscheidungen oder Bugs im Spiel. Ebenso herrscht ein Unverständnis über die Schwierigkeiten in der Spieleentwicklung.
Gerade im Survival-Genre sehe ich Spieler mit Tausenden von Spielstunden, die einem Titel eine negative Bewertung geben. Haben diese Spieler wirklich tausende Stunden an Frustration gesammelt, oder wurde ihnen vielleicht nach 900 Stunden langweilig und sie wollten "noch mehr"? Es ist schwierig, aber das Resultat spricht Bände: Selbst als Rekordhalter auf Steam hat PUBG nur eine Wertung von 58 Prozent positiv. Auch andere Survival-Titel mit tausenden aktiven Spielern reichen nicht über die 70-Prozent-Marke.
Die sozialen Medien tragen den Ärger noch weiter hinaus. Plötzlich ist man wütend über Chinesen, die Battlegrounds spielen möchten, obwohl diese in ihrem Land noch weitaus schlechtere Bedingungen haben als wir in Europa. Bei jedem Tod posten Spieler ein Video auf Facebook und fragen die Community, ob das nicht ein Hacker war. Spieler, die einen Titel seit Monaten nicht gespielt haben, flamen weiterhin die Entwickler - und damit eben die Leute, von denen sie gleichzeitig so viel erwarten und denen sie oft bereits so viel zu verdanken haben.
Hass verkauft, dahinter können sich aus irgendeinem Grund alle stellen. Es ist viel populärer, jemanden anzugreifen, als jemandem zu helfen. Es ist viel populärer, jemanden wegen seines Spielstils herabzuwürdigen, als die Umstände des Spiels zu akzeptieren und nach Gegenstrategien zu suchen. Es ist viel populärer zu ragequitten, als bis zum Ende zu kämpfen.
"Salt" haben die Gamer diese Art der Frustration genannt und sie akzeptiert. So nehmen es Unbeteiligte mit Humor, wenn wieder mal ein Ausraster da ist. Beleidigungen und Hatespeech werden gerade da, wo die Anonymität des Internets und der kompetitive Aspekt von Videospielen zusammentreffen, zum Alltag.
Der Gedanke, dass hinter dem anderen Charakter oder Spielernamen auch ein Mensch wie du und ich sitzt, rückt in den Hintergrund oder ist uns vielleicht einfach egal. Wer schlägt sich auch schon gerne mit anderen Menschen rum, wenn er versucht, sich beim Videospielen zu entspannen? Wir lassen die Streithälse also streiten, ich bin da ja nicht beteiligt.
Andere haben es nicht so einfach. Denn natürlich ist nicht jeder Spieler der Beste, oder mal haben wir einen schlechten Tag. Wenn dann bereits die eigene Frustration über die schlechte Leistung an mir nagt, habe ich echt keinen Bedarf an diesen Flamern, die mich mit ihrem "Salz" nerven. Denn wie es mit Salz so ist, es ist oft etwas auf dem Essen, und man kann nichts dagegen machen. Doch je schlechter das Essen wird, desto mehr Salz kommt darauf, um den Geschmack bloß irgendwie zu verändern. Bis der Fraß schließlich total versalzen ist, und man ihn nur noch wegwerfen und sich den Mund ausspülen möchte.
So geht es vielen Spielern online. Sie werden Tag für Tag mit dem Hass, der ihnen entgegengeworfen wird, konfrontiert, wenn sie sich eigentlich nur entspannen und der Realität etwas entkommen möchten. Sie können versuchen, zurück zu schießen, was jedoch nicht das ist, weshalb sie spielen. Sie können es ignorieren, wobei der Ärger doch immer an ihnen nagt. So entscheiden sich viele von ihnen schließlich zur Flucht aus dem Elend, hin zu Singleplayer-Spielen. Selbst im Internet findet man schließlich keine Entspannung, wo andere Menschen sind. Ein düsteres Bild, was sich zu oft im Verborgenen abspielt.
Mir ist ebenso bewusst, dass die Menschen nicht all ihren Hass abschaffen können. Doch in diesem Zustand ruinieren wir jeden Tag das Spielerlebnis untereinander. Darum habe ich zu Weihnachten ein paar kleine Wünsche für 2018:
Denn wenn wir im Spiel ein Held sein wollen; wenn wir uns anstrengen, der beste Spieler zu sein, der wir sein können; wieso sollten uns dann nicht auch für gutes und richtiges Handeln einsetzen? Oder ist das schon zu viel des Guten?