Das sensationell erfolgreiche Steam-Phänomen PlayerUnknown's Battlegrounds hat nach neunmonatiger Early-Access-Phase am 21. Dezember 2017 seinen Full Release erlebt. Wir haben den Ausnahme-Titel seit Tag eins aufmerksam verfolgt. Jetzt ist es an der Zeit, die große Lupe herauszuholen und das Battle Royale mit dem sperrigen Namen einem ausführlichen Test zu unterziehen. Wir fragen uns: Kann die Version 1.0 restlos überzeugen?
Es ist wohl keine gewagte Behauptung, zu sagen, dass 2017 für das kompetitive Gaming der Zukunft wegweisend sein wird. Die Verantwortung dafür trägt ein freundlicher Ire, dessen Name lange Zeit unbekannt war. Also, er nannte sich PlayerUnknown. Mit bürgerlichem Namen heißt er Brendan Greene, machte mal dies und mal das und kam eines Tages, inspiriert von den Filmen und Büchern um das Szenario Battle Royale, auf die Idee, einen Last-Man-Standing-Modus im Stile der menschenverachtenden Deathmatches für die Militär-Simulation Arma 2 zu entwickeln.
Nun, der Rest ist wohl Geschichte. Denn nach der zuletzt immer steiler verlaufenden Flugkurve seiner Karriere konnte der Modder mit Playerunknown's Battlegrounds quasi die Essenz seiner Uridee von Battle Royale entwickeln. Alles, was er bei den bisherigen Titeln gelernt hatte, findet nun in PUBG seine Vollendung. Der Masters Blend quasi, Greenes persönliche Signature Edition von Battle Royale.
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Das simple Spiel mit dem komplizierten Namen pfeift auf die Praxis der Iterationen im Shooter-Geschäft, durch die wir die Ableger der Call of Duty Serie am ehesten am Release-Datum unterscheiden können. PlayerUnknown erkannte, dass viele Spieler keine teuer ausgearbeitete Story im 24. Aufguss eines bekannten Szenarios mehr wollen. Sie brauchen keine Frostbite Engine und für Multi-Millionen Dollar produzierten Soundeffekte. Das einzige, was diese Spieler wollten, war sich ohne Angabe von Gründen gepflegt gegenseitig zu erschießen. Oder: Sich untereinander zu messen, wie ein weniger zynischer Autor es formulieren würde.
Das kann Playerunknown's Battlegrounds, wie kein H1Z1 oder The Culling es konnte: Ein Last-Man-Standing-Deathmatch liefern, das den Puls in einem Match zuverlässig ansteigen lässt, und zwar immer wieder aufs Neue. Mit simplen Regeln, die es so einfach zugänglich für Spieler und Zuschauer machen, dass der PUBG-Virus schon beim ersten Zuschauen überspringt. Und dabei eine Spielerfahrung zu erschaffen, die immer wieder gleich und doch jedes Mal einzigartig ist. In unserem Test erfahrt ihr, ob der wegweisende Titel seine Early-Access-Probleme nach dem Launch in den Griff bekommt, ob er die hohen Erwartungen erfüllen kann und ob PUBG überhaupt für euren Spiele-Geschmack geeignet ist.
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Wie eingangs beschrieben: PUBG gewinnt keinen Preis für Komplexität. Es extrahiert die spannendsten Momente aus Survival-Titeln wie DayZ und Just Survive: Die Gefechte. Mal in kuscheliger Atmosphäre einer Kleinstadt, mal über 900 Meter Entfernung durch die Optik eines Zielfernrohrs ausgefochten, treiben sie den Puls zuverlässig immer und immer wieder in klinische Höhen.
Auch wenn es schon Battle Royale vorher gab: Keiner hat es bisher so gut hinbekommen - auch Brendan Greene selbst nicht, als er seine Mods für Arma 2 bastelte und später bei Sony an der H1Z1-Entwicklung beteiligt war. Doch jetzt ist das Rezept lange genug gereift, um einen wahren Hammer abzuliefern. Und der legt Survival als reinen PVP-Kampf aus, das Looten als einzige Charakterentwicklung, die wachsende Todeszone als übergeordnete Bedrohung - das einzige Spielziel ist das schiere Überleben bis zum Schluss. Das gab es in dieser Intensität noch nicht. Deshalb ist einer der Preise, die PUBG fraglos verdient, der für Innovation.
Auch die Spielregeln sind so einfach wie genial. Im Battle Royale von PlayerUnknown's Battlegrounds treten 100 Spieler auf einer 64 Quadratkilometer großen Insel-Karte gegeneinander im Deathmatch an. Dafür springen sie zu einem selbst gewählten Zeitpunkt aus einer Frachtmaschine, welche die Spielwelt auf einer zufälligen Route überfliegt. Mit dem Fallschirm steuern sie dann frei einen Ort ihres Vertrauens an. In den Gebäuden der Welt liegen nun Waffen und Ausrüstungsgegenstände verstreut, die gesammelt und gegen die 99 Feinde eingesetzt werden. Kurz nach der Landung beginnt eine kreisförmige Zone, in mehreren Stufen die Spielwelt so lange zu verkleinern, bis sich die letzten Überlebenden im wahrsten Sinne im kleinen Kreise zusammenfinden. Dort wird an wechselnden Locations der eine ermittelt, der der Stärkste unter ihnen ist.
Gespielt wird entweder alleine im Solo-, zu zweit im Duo- oder zu viert im Squad-Modus - wahlweise in Third- oder First-Person-Perspektive. Der Sieger einer Runde bekommt neben statistischen Verbesserungen einen Sieges-Bildschirm mit dem "geflügelten" Wort der Battlegrounds-Sprache: Winner Winner, Chicken Dinner!
Zum Loot: Da die Verteilung der Beute auf der Karte von einem ziemlich cleveren Zufallsalgorithmus jede Runde aufs Neue festgelegt wird, weiß man vorher nie, welche Qualität an Ausrüstung man bekommt. So spielt sich jede Runde anders, mal muss man mit einer Maschinenpistole und einem Sturmgewehr überleben, mal findet man ums Verrecken keinen vernünftigen Helm und ein anderes Mal fehlt dieses eine, wichtige Visier fürs Scharfschützengewehr. Denn die Waffen spawnen völlig nackt und lassen sich mit gefundenen Items wie Magazinvergrößerungen, Frontgriffen und Schulterstützen an die Situation und das persönliche Gusto anpassen. Vorausgesetzt, man findet die begehrten Modifikationen.
Waffen-Guide: Maschinenpistolen und MG in PUBG
In der Early Access war nur eine Map fürs Battle Royale in PlayerUnknown's Battlegrounds implementiert, eine mediterrane Inselkarte namens Erangel. Dort tobt das Gefecht zwischen grünen Hügeln, lichten Wäldchen und kleinstädtischen Häuserreihen. Mit Full Release wurde eine zweite Karte eingebaut – in der staubtrockenen Wüste der Map Miramar bieten hohe Berge ausreichend Deckung vor feindlichem Beschuss. Verwinkelte Städte in gelungenem mittelamerikanischem Stil zeugen auch davon, dass die Entwickler im Laufe der Early Access viel gelernt haben: Insgesamt ist die Wüstenkarte einfach schöner designt.
Auch neu seit Version 1.0 ist die Kletter-Mechanik, mit der die Spieler Hindernisse bestimmter Höhen überspringen können. So hechtet man geschickt über Zäune und mit lautem Klirren durch geschlossene Fenster. Oder man klettert in den ersten Stock, um einen Gegner zu überraschen. Das Feature ist noch nicht frei von Bugs, aber weitgehend funktional.
Und damit sind wir auch schon bei den Besonderheiten des Gameplays. Der Spieler trifft alle Entscheidungen selbst: vom Zeitpunkt des Absprungs über die Wahl des Anflugortes bis hin zur Taktik auf dem Boden. Das Spiel gibt nichts vor, bis auf die schrumpfende Todeszone sowie periodisch auftretende Rote Zonen, in denen es Bomben hagelt und man außerhalb von Gebäuden Gefahr läuft, in die Luft gesprengt zu werden. Fun Fact: Einer Statistik zufolge sterben in etwa gleich viele Spieler durch die blaue wie durch die rote Zone.
In regelmäßigen Abständen wird über der Spielwelt aus einem Flugzeug Fracht in Form roter Kisten abgeworfen. In den Airdrops findet sich besonders hochwertiges Equipment, teils sogar exklusive Waffen wie das AWM-Scharfschützengewehr oder das M249-Maschinengewehr. Der Kampf um diese Pakete gehört zu den pulsbeschleunigensten Gameplay-Momenten im modernen Gaming.
Auf dem Weg in das selbst prognostizierte Zentrum der letzten Zone helfen Fahrzeuge, die zu bestimmten Wahrscheinlichkeiten an festgelegten Locations spawnen. Von Buggies über Gelängewagen bis hin zu Motorrädern hilft eine Vielzahl motorisierter Vehikel bei längeren Reisen über die bisweilen tückischen Karten.
Seit Version 1.0 sind die Fahrzeuge und die Fahrzeug-Physik umfassend überarbeitet und verbessert worden. So werden die einzelnen Stoßdämpfer nun an den Untergrund angepasst realistisch berechnet, das Fahrverhalten ändert sich je nach Terrain und passende Soundeffekte sorgen für das richtige Top-Gear-Gefühl.
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Gameplays ist das realistisch simulierte Gunplay. Jede Waffe und jeder Munitionstyp besitzen eine charakteristische Ballistik inklusive Werten wie Kadenz und Rückstoß-Besonderheiten. Zusätzlich nehmen die zahlreichen verschiedenen Modifikationen Einfluss auf das Handling. Das produziert ein sehr realitätsnahes, Skill-basiertes Hardcore-Spielgefühl. Wer Call of Duty gespielt hat und gerne mit seinem Sturmgewehr auf 20 Meter Entfernung im Dauerfeuer reihenweise Headshots verteilt hat, wird von PUBG unsanft in die Realität geholt. Gezielte Treffer verlangen Disziplin am Abzug und gute theoretische Kenntnis der Waffe – nichts für Casual-Spieler also. Zum Zielen steht neben zwei Third-Person-Optiken selbstverständlich auch das Zielen über Kimme und Korn beziehungsweise Zieloptiken zur Verfügung.
Skill ist der sicherste Siegesgarant in PUBG, deshalb eignet es sich auch so gut für E-Sport. Trotz oder gerade wegen des hohen RNG-Anteils. Denn die zufälligen Ereignisse geben den Partien erst die richtige Würze, wie in einer Partie Poker. Der Vergleich kommt nicht von ungefähr, denn PUBG und Poker haben mehr gemein, als man glauben mag. Sei es die Kombination aus Glück und Können, sei es das Spiel der Wahrscheinlichkeiten und Risiken. Seien es Bluffs und Fallen oder sei es das Erfolgsrezept einer Taktik der kontrollierten Aggressivität - überall findet man Gemeinsamkeiten. Die wichtigste ist: beide Spiele gelten als Garant für Nervenkitzel.
PUBG-Taktiken: Unsere Tipps für die richtige Strategie im Battle Royale
Und hat man dann nach zahllosen gelooteten Gebäuden und vielleicht dem ein oder anderen besiegten Gegner endlich sein Traum-Gear zusammengesammelt, fühlt man sich bereit für den engsten Zirkel und kann das "Chicken Dinner" bereits erschnuppern. Doch das schützt noch nicht davor, in einem ruhigen Moment beim Stöbern im Inventar hinterrücks von einem Scharfschützen niedergestreckt zu werden. Denn in PUBG gibt es viele Zufallsfaktoren. Doch die können auch bewirken, dass man beim gemütlichen Fahren durch die Botanik versehentlich zwei Spieler gleichzeitig überfährt, weil die gerade im Busch saßen und womöglich ihre Taktik besprachen. In deren Inventar findet man dann den Inhalt zweier Airdrops. PUBG gibt, PUBG nimmt.
Und am Ende rast der Puls. Die Handflächen schwitzen, als man versucht, das leichte Zittern der Hand zu unterdrücken, das vom Adrenalin ausgelöst wird, das ein hämmerndes Herz immer schneller durch den Körper pumpt. Noch drei Spieler am Leben. Wo der eine steckt, wissen wir. Vom anderen haben wir noch nichts gesehen oder gehört. Der Kreis ist so klein, praktisch nur noch ein Haus samt Garten befinden sich in der sicheren Zone. Der Kreis schließt sich ein weiteres Mal, der Gegner in bekannter Position muss sich zu uns bewegen, wenn er nicht außerhalb der Zone sterben will. Beste Voraussetzungen für uns, denn wir können mit modifizierter Mini-Uzi auf ihn warten. Doch wo ist der andere?
Geschichten wie diese werden jeden Tag in unzähligen Ausführungen geschrieben. Dokumentiert auf Twitch und Youtube, kann jeder, dem das Spielen selbst zu stressig ist (und stressig ist es, oh ja), zumindest als Zuschauer daran teilhaben. Und dabei zugleich verstehen, wie ein PUBG mit praktisch nicht existenter Werbung so einen phänomenalen Hype auslösen konnte. Denn die gute Vernetzung von Mastermind Brendan Greene mit Größen der Twitch-Streamer-Szene ist einer der tragenden Faktoren für den Erfolg dieses Spiels. Über die Streaming-Plattform verbreitete sich das genial einfache Spielprinzip von PUBG wie ein Lauffeuer und ermöglichte so eine Verbreitung des Hypes durch Mund-zu-Mund-Propaganda.
Kontroverse: Sexualisierte Darstellung weiblicher PUBG-Charaktere sorgt für Ärger
Die für PUBG verwendete Unreal Engine 4 ist zweckmäßig interpretiert. Jedoch wurde so manches Asset für Landschaftsobjekte das ein oder andere mal zu oft recyclet. Komplett handgestaltet würde die Karte um Längen besser aussehen, aber man erkennt an der Gestaltung der zweiten Karte, dass die Entwickler schnell lernen.
Wir wollen es nicht übertreiben, Spaß hatten wir bei PUBG trotz technischer Unzulänglichkeiten noch mehr als genug, aber es wäre einfach noch so viel mehr drin. Die Entwickler versprechen, diesem Thema eine hohe Priorität zuzuordnen.
Ehre, wem Ehre gebührt. Mit PlayerUnknown's Battlegrounds betritt ein König die Bühne. Königlich, weil er das Shooter-Geschäft der Zukunft maßgeblich mitbestimmen dürfte, königlich auch deshalb, weil er eine Autorität im kompetitiven Gaming werden soll. Aber königlich vor allem deshalb, weil das Spieler-Volk ihm die Krone aufgesetzt hat.
Als einer der erfolgreichsten Titel des Jahres mit über 20 Millionen verkauften Kopien nur auf dem PC, als Early Access Titel wohlgemerkt, bricht PUBG einen Steam-Rekord nach dem anderen. Mit über 2,7 Millionen gleichzeitigen Spielern wird es beliebtester Steam-Titel aller Zeiten, mit riesigem Abstand vor etablierten Vollversionen wie CS:GO und Dota 2.
Dieser König herrscht schon heute über den königlichen Modus. Mit weiterer Vergrößerung seines Machtbereichs auf den E-Sport und durch konsequente Zu-Ende-Optimierung kann er in Zukunft möglicherweise über das kompetitive Gaming herrschen. Bis dahin ist es aber besonders in Anbetracht der schwachen Serverperformance noch ein weiter Weg. Eine Spitzenwertung kommt für uns erst in Frage, wenn diese Baustelle abgearbeitet ist.
Für mich ist der Fall klar: PlayerUnknown's Battlegrounds ist das Spiel des Jahres 2017. Ein wegweisendes Battle Royale, ein hochspannender, explosiver Action-Thriller, der einen Quentin Tarantino wie einen Heimatfilm-Regisseur aussehen lässt. Mal im Ernst: Es gibt kein Battle-Royale-Spiel, wie PUBG eines ist. Am ehesten lässt sich das Spielgefühl noch mit einem Titel vergleichen, der mit Battle Royale nichts am Hut hat. Dafür aber umso mehr mit Hardcore: Ich spreche von Escape from Tarkov. Der Survival-Shooter von Battlestate Games hat ebenfalls einen hohen Realismus-Anspruch und fordert viel Hingabe, um es zu meistern. Und auch dort ist im Bereich der Performance noch erheblicher Verbesserungsbedarf. Zurück zu PUBG: Schaffen die Entwickler bei der PUBG Corp es, die richtigen Schlüsse zu ziehen, werden sie beim kompetitiven Gaming der Zukunft ein großes Wörtchen mitzureden haben. Die finanzielle Basis dafür ist schon einmal gelegt. Ob PUBG das Richtige für euch ist, solltet ihr nun einschätzen können. Auch da der Kaufpreis nach Beendigung der Early Access nicht gestiegen ist, kann ich jedem Shooter- und Survival-PVP-Fan eine Kaufempfehlung aussprechen.
PlayerUnknown's Battlegrounds ist ohne Frage das Gaming-Phänomen von 2017. Sein Anspruch auf die Essenz des Battle Royale-Genres bestätigt sich im Erfolg der lange ausgearbeiteten Vision von Brendan Greene. Vom Wählen des Absprungpunktes bis hin zum ikonischen Chicken-Dinner wurde hier großartige Arbeit geleistet. Mithilfe seiner Zufallsaspekte und seinen bis zu 100 Teilnehmern kann Battlegrounds neue Maßstäbe für den E-Sport setzen. Technisch befindet sich PUBG auf dem konstanten Weg der Besserung und auch neuer Content fügt sich stimmig ein. Natürlich kommt kein Hit ohne Kritiker - im Angesicht von Bluehole's Erfolg müssten sich die Entwickler aber schon grobe Schnitzer leisten, um größere Angriffsfläche bieten zu können.