In Like a Dragon: Infinite Wealth sucht der ehemalige Yakuza Ichiban nach seiner ihm unbekannten Mutter, die aus mysteriösen Gründen von Gangstern verfolgt wird. Warum Ryu Ga Gotoku Studio sich mit diesem Rollenspiel selbst übertrifft, zeigt unser Test.
Das rundenbasierte Action-Rollenspiel Like a Dragon: Infinite Wealth führt den Titelhelden Ichiban Kasuga ins gleißend sonnige Hawaii. Dort soll der naive Ex-Yakuza im Auftrag des Captains der Arakawa-Familie seine ihm vollkommen unbekannte Mutter aufspüren. Doch das entpuppt sich als gefährliches Unterfangen, denn mehrere zwielichtige Fraktionen haben es aus unklaren Gründen auf die besagte Akane-san abgesehen.
Gemäß der Serientradition entwickelt sich diese Prämisse zu einer emotionalen Achterbahnfahrt, die eigentlich ein „Dranbleiben“ gebietet. Weil das virtuelle Waikiki aber die Nebenaktivitäten auf ein neues Level hebt, ist es für Ichiban, Kiryu & Co so leicht wie noch nie, von den prügellastigen Haupt-Quests sprichwörtlich Urlaub zu nehmen. Könnte einer Top-Wertung dennoch im Wege stehen, dass es manchen Mini-Spielen an Tiefe fehlt? Im Folgenden klären wir alle Stärken und Schwächen von Infinite Wealth.
Der neue Hauptteil der Yakuza-Reihe setzt wenige Jahre nach den Ereignissen von Yakuza: Like a Dragon an. Das schlagkräftige Trio aus Ichiban, Nanba und Adachi geht legalen und respektablen Jobs nach, jedoch nicht lange. Denn Ichiban wird – vermutlich aufgrund seiner Hello-Work-Tätigkeit mit dem Ziel, ehemalige Yakuza zu rehabilitieren – Opfer einer Cyber-Verleumdung, woraufhin auch seine beiden Freunde ihre Jobs verlieren.
Neugierig auf Gameplay aus Like a Dragon: Infinite Wealth? Wir haben ein einstündiges Video aufgenommen, das eine Mission, die Dating-Mechanik sowie das Open-World-Gameplay zeigt.
Die Nachforschungen des draufgängerischen Gespanns führen wieder einmal in Japans (erweiterte) Unterwelt, was den Auftakt nicht uninteressant, aber doch etwas unspektakulär gestaltet. Nach anfänglichen Längen wird es mit Ichibans Treffen mit Jo Sawashiro, dem Ex-Captain der Arakawa-Familie, deutlich packender. Sawashiro schickt Ichiban im Kontext seiner Misere nach Hawaii. Vor Ort soll der unfreiwillige Afro-Träger nach seiner ihm völlig unbekannten Mutter Akane-san suchen, der allerdings auch einige skrupellose Kriminelle auf den Fersen sind.
Ab diesem Punkt gelingt es Like a Dragon: Infinite Wealth, mit seiner recht komplexen Handlung durchgehend zu fesseln. Dafür sorgen besonders zwei dramatische Entwicklungen, von denen eine den langjährigen Serien-Star Kazuma Kiryu betrifft. Den lässt die neue Heldengruppe (Ichiban, Tomizawa, Adachi, Nanba und Chitose) in Sachen Ausarbeitung, Gestaltung und Humor übrigens klar hinter sich, womit auch der Generationenwechsel überzeugend vollzogen wäre. Ja, wir lieben Kiryu, aber die neue Crew ist einfach ein kleines Meisterwerk des Charakter-Designs.
Obwohl mit Isezaki Ijincho auch ein Spielgebiet des Prequels vorhanden ist, liegt der Fokus von Infinite Wealth auf der neuen, meist offenen Hawaii-Karte – und das mit Recht. Gleich fallen hier die optischen Verbesserungen im Vergleich zum Vorläufer ins Auge. Mit scharfen Texturen, strahlenden Farben und hübscher Beleuchtung überzeugt das virtuelle Touristenparadies atmosphärisch restlos. Besonders eindrucksvoll: Der lange Schattenwurf am Dämmerstrand und die authentischen Wassereflexionen im Hotel-Pool.
Noch wichtiger ist aber, was Honolulus palmendurchzogener Stadtteil spielerisch zu bieten hat. Und gute Güte, ist das viel. Da wären zum Beispiel eine Stadtrundfahrt im originalen Trolleybus, auf Wunsch mit angebundenem Railshooter-Mini-Spiel; stuntreiche Fast-Food-Liefertouren mit dem Fahrrad; die Entmüllung und Wiederherstellung eines Ferienresorts (mit eigenen Spielmechaniken); Life-Guard- und Kellner-Jobs, das Tauchen nach Müll im Meer; eine Dating-App mit Profil-Anpassung und Multiple-Choice-Chats; und noch viel mehr.
Doch Infinite Wealth zeigt auch Hawaiis dunkle Seite. So führt die Story in den Distrikt 5, ein von der lokalen Mafia kontrollierter Slum. Direkt darunter: Ein subterranes Einkaufszentrum, das mit illegalen Plagiatsgütern handelt. Auch die vielen Side-Quests thematisieren hier und da Missstände der Urlaubsinsel, ganz abgesehen von den zahllosen Zufallskämpfen gegen Halbstarke. Dennoch ist Waikiki vor allem Segas gehaltenes Marketing-Versprechen, nach dem Infinite Wealth die „ultimative Unterhaltung“ liefere. Nur die Life-Guard- und Kellner-Tätigkeiten wirken aufgrund des allzu geradlinigen Verteilens von Getränken überflüssig.
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Genau wie vormals schon Yakuza: Like a Dragon, setzt auch Infinite Wealth auf ein rundenähnliches Kampfsytem. Das heißt, dass die Heldengruppe und ihre Gegner im Wechsel angreifen, während ein paar andere Handlungen – das Abwehren von Attacken und die Positionierung der Charaktere im Kampf – in Echtzeit stattfinden. Insofern enthalten die Scharmützel eine taktische Komponente, da bestimmte Kombinationen aus Heldenstandort und Spezialangriff einen großen Unterschied machen. Das gilt allerdings auch mit Blick auf die Widersacher.
Ebenfalls mit von der Partie ist das Jobsystem aus dem Vorgänger. Diese spezialisierten Kampfklassen für Ichiban & Co sind diesmal aber noch kurioser ausgefallen. Ein Taxifahrer etwa kann Autobatterien in Richtung der Gegner entladen; die Haushälterin schrubbt Feinde auf Kosten ihrer HP porentief rein; ein Feuertänzer wirft inmitten des Gefechts den Grill an und verteilt heilendes Fleisch; und der Samurai wird mit den verheerenden Schlägen seiner Klinge sämtlichen Legenden gerecht. Insgesamt gibt es 20 Jobs und es lohnt sich wahrlich, sie alle freizuschalten.
Da jeder Job 4 bis 10 Spezialangriffe für alle Schwachpunkte bietet, ergibt sich ein kleines Eldorado an Möglichkeiten. Die skurrilen Gegner wie Schlafsackwürmer, Riesenclowns und Magie-Monarchen, können zudem mittels Poundmates und als Tag Team angegangen werden. Letzteres beschränkt sich jedoch auf eine eher langweilige Filmsequenz. Dennoch hat es in Yakuza oder Like a Dragon nie bessere Gründe gegeben, gegnerische Schädel zu spalten. Und das wird, trotz des freien Speicherns außerhalb von Kämpfen, auch niemals zu leicht. Schon gar nicht in Waikikis unheimlichem Dungeon; ein riesiger Untergrund à la Dark Cloud oder auch D&D.
Von Ryu Ga Gotoku Studio ist man bewegende Storys, hervorragend gestaltete Charaktere und brillanten Over-the-top-Humor gewohnt. Dem setzt der japanische Entwickler mit Like a Dragon: Infinite Wealth nun nochmals eins drauf – und etabliert Ichibans Truppe endgültig als Kiryus Ablösung. Für uns ist der Hawaii-„Urlaub“ des Helden von Yokohama schon jetzt eines der Spiele des Jahres 2024, denn wir sind selten 100 Stunden lang besser und abwechslungsreicher unterhalten worden.
Like a Dragon: Infinite Wealth ist seit dem 25. Januar 2023 für PC (Steam), Playstation 5/4, Xbox Series X/S und Xbox One erhältlich. Der Preis für Segas Action-Rollenspiel beträgt auf allen Plattformen 70 Euro; zusätzlch werden insgesamt 19 DLCs angeboten. In diesen sind neben kosmetischen Gegenständen auch solche enthalten, die Käufern in-game kleinere Vorteile verschaffen.
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Während Like a Dragon: Infinite Wealth das erzählerische Niveau der Vorgänger hält, hängt es diese in allen anderen Belangen ab. Der große Kazuma Kiryu? Der wirkt vor Ichiban und seinem Gefolge nur mehr wie eine weiße Wand. Kamurocho, Sotenbori, Tsukimino? Sie alle müssen sich vor dem abgedrehten Mini-Spiel-Wahnsinn von Hawaii verbeugen. Hier öffnen nämlich Trolleybustouren und Foto-Railshooter ein ganz neues Spielspaß-Kapitel, das hoffentlich noch in viele weitere übergehen wird.