Im Test geht Remnant 2 den Weg des Prequels unbeirrt weiter und bietet von allem noch etwas mehr. Seine Spitzen hat der neue RPG-Shooter in den kernigen Gefechten, während er im Keller „alte, weiße Männer“ diskriminiert.
Remnant 2 folgt auf das 2019 erschienene Remnant: From the Ashes, ein brettharter Soulslike-Shooter, der bei Steam ein hohes Ansehen genießt. „Warum also etwas anders machen“, schlussfolgerte Gunfire Games mutmaßlich – und wirft deshalb mit Remnant 2 eine „lediglich“ verbesserte Iteration auf den Markt. Aber benötigt man diese überhaupt?
Fest steht, dass der Survival- und Dark-Fantasy-Bastard mit toller Optik und spaßigen Waffengefechten zu entzücken weiß. Zumindest dann, wenn der eigene PC klar über den empfohlenen Systemanforderungen liegt. Zudem suchen angehende Ödland-Helden hier vergeblich eine Auszeit von aktuellen gesellschaftspolitischen Themen. Denn Remnant 2 verwendet vorgeblich geschlechtergerechte Sprache und zutiefst spaltende Formulierungen.
Zum Eintauchen in die postapokalyptische Welt von Remnant 2 sind somit ein paar sehr wesentliche Dinge zu schlucken. Unser Test klärt, ob der Third-Person-Shooter die Nerven der Spieler letztlich positiv oder negativ strapaziert.
Zu Beginn des Spiels klopfen wir uns einen Spielcharakter aus hinreichenden Vorlagen zusammen; eine detaillierte Anpassung (etwa Position des Munds, Augenfarbe) ist schon wie im Vorgänger nicht möglich. Die Anpassungskategorien umfassen das Geschlecht, den Körpertyp, das Gesicht nebst Hautfarbe, die Frisur und Haarfarbe sowie Narben und Gesichtsbemalungen.
Auch ist an dieser Stelle das Erstellen eines permanent sterbenden Hardcore-Charakters möglich. Als solcher darf er nur mit anderen Hardcore-Charakteren zusammen ballern, außerdem ist es ihm nicht möglich, öffentlichen Partien beizutreten oder sie zu hosten. Immerhin: Fürs Ertragen all dieser Härten gibt es entsprechend wertige Belohnungen.
Danach wird unser Recke auch schon in eine kriegerisch zerklüftete, urbane Spielwelt à la Fallout & Co geworfen. Mit unserer verwundeten Begleiterin Cass klettern wir hier in einer Renderszene über allerlei Schutt und Schrott. Unsere Hilfe lehnt die taffe Dame dabei ab – aus feministischen Gründen, wie sich noch zeigen wird.
Nachdem sich plötzlich ein gestrandeter Bahnwaggon losreißt und Cass uns mit einem beherzten Schubser die Haut rettet, wird die toxische Lebensretterin auch nicht müde, uns ihren Akt in Rechnung zu stellen. Es sei schließlich schon das drittel Mal gewesen, dass sie dem (in den meisten Fällen natürlich männlichen) Hauptcharakter den Tag gerettet hat.
Wie auch immer: Der Weg führt uns zu einer endzeitlichen Siedlung mit Namen Station 13, die sowohl als sozialer Knotenpunkt als auch als Level-Hub fungiert. Dazu gleich mehr. Auch zu diesem Thema findet Supergirl Cass deutliche Worte, indem sie die dort Lebenden als „Leute, die mit ’nem alten weißen Typen ’rumhängen“ diskreditiert. Gemeint ist damit Ford, der greise Gründer von Station 13, den wir nach ein paar lehrhaften Feuergefechten gegen aggressive Holzmonster persönlich treffen.
Ford, unter mysteriösen Umständen bereits Hunderte Jahre alt, erzählt uns von den rötlich schimmernden Weltensteinen, die den Menschen der Vor-Apokalypse ermöglichten, in fremde Welten zu reisen. Blöd nur, dass diese Portale auch allerlei bösartige Monster ausspuckten, denen ein guter Teil der Menschheit zum Opfer gefallen ist. In unserer Gegenwart berührt Ford dann einen dieser Steine, woraufhin er spurlos verschwindet – ebenso wie unsere Waffenschwester Clementine.
Die Suche nach den Verschollenen ist das Leitmotiv der Geschichte, die sich gelegentlich zwar verzweigt, ob der Baller-Action aber schnell zur Nebensache gerät. Meist wird die teils etwas kryptische Handlung von In-Engine-Filmsequenzen erzählt, aber auch umfangreiche Schriften stellen Rollenspielfans mit Überlieferungen zufrieden.
Von einigen Grammatikfehlern abgesehen („das Einzigste“), lassen auch die deutschen Sprecher kaum zu wünschen übrig. Allein für die vielerorts präsente „geschlechtergerechte Sprache“ muss man gewappnet sein, genauso wie für überzogen starke Frauen mit diskriminierenden Sprüchen auf den Lippen.
Seinen Klassenpool beziehungsweise seine Auswahl an Archetypen hat Remnant 2 gegenüber dem Vorgänger vergrößert. So sind insgesamt fünf unterschiedliche Charakterklassen spielbar, jede mit ihren eigenen Spezialfähigkeiten. Im Folgenden seien die vielleicht etwas zu konventionellen Lichtgestalten kurz vorgestellt.
Zusätzlich können die Archetypen mithilfe von Eigenschaftspunkten weiter verbessert und an den eigenen Spielstil angepasst werden (siehe Bild oben). Ein Eigenschaftspunkt wird mit jedem Stufenaufstieg verfügbar, wobei sich die Erhöhung der Charakterstufe (zu unserer Freude) sehr deutlich im Kampf bemerkbar macht.
Ein einzelnes Level kann hier also über die Schwierigkeit eines gesamten Bereichs entscheiden. An Statuswerten wie Gesundheit, Ausdauer oder Rüstung darf übrigens auf Umwegen geschraubt werden. Dazu bedienen wir uns der erwähnten Eigenschaftspunkte und investieren sie in Eigenschaftskarten wie Starkes Rückgrat, Vitalität oder Kondition.
Alle Archetypen von Remnant 2 spielten sich in unserem Test recht unterschiedlich, vor allem der Helfer sorgte mit seinem tierischen Gefährten für Abwechslung auf den unerbittlichen Schlachtfeldern. Die Kampagne absolvierten wir indes mit dem Draufgänger, da er uns mit seiner Robustheit den meisten Spielspaß bescherte. Leicht hatten wir es mit ihm wohlgemerkt dennoch nicht.
Kommen wir nun zu dem, was der von Dark Souls inspirierte RPG-Shooter am besten kann: Knarren-Scharmützel. Es ist wirklich beachtlich, wie es Remnant 2 gelingt, uns trotz seiner vier hohen Schwierigkeitsgrade (selbst der leichteste haut mächtig rein) ein Gefühl von Macht zu geben.
Denn die teils „magischen“ Gegner wie Holzmonster (drahtige, bizarre Baumabstraktionen), bedrohliche „UFO-Bots“, Kampfmaschinen mit meterbreitem Laser oder wütenden Zombie-Hommagen mögen uns zwar zusetzen. Wir ihnen jedoch ebenso, wenn wir regelmäßig über Checkpoints die Waffenschmiede von Station 13 besuchen. Dort können wir gegen leicht auffindbare Ressourcen nämlich unsere Ausrüstung verbessern sowie Heil- und Boost-Gegenstände erwerben. Hier kommt es übrigens auch zu einem Wiedersehen mit einigen aus Remnant: From the Ashes bekannten Charakteren.
Im Koop trifft Remnant 2 schlechte Entscheidungen Eine Koop-Session ist in Remnant 2 mit bis zu zwei Freunden möglich. Die Schwierigkeit der Kampagne skaliert entsprechend und bleibt daher auch mit Verstärkung sehr schwer. In technischer Hinsicht hatten wir an dem Koop-Treiben nichts anderes auszusetzen, als an der Solo-Kampagne. Jedoch haben die Entwickler hier einige unvorteilhafte Desgin-Entscheidungen getroffen. So erzielt allein der Host den Kampagnen-Fortschritt, während die Mitspieler ausschließlich ihren Loot behalten dürfen. Verlassen seine Waffenbrüder und -schwestern die Session, wandert zudem der Entdeckungsfortschritt ins Nirvana. Beim nächsten Betreten bereits besuchter Maps müssen sie dementsprechend neu erkundet werden. Zu schlechter Letzt wurde nicht in Cloud-Speicherungen investiert, sodass Koop-Spielstände unter Umständen Gefahr laufen, verlorenzugehen. |
Doch zurück zu den Schießereien: Das Landen von Treffern ist dank der soliden Steuerung und dem heranzoomenden Zielmodus keine Hexerei. Eine Herausforderung bleiben die Auseinandeesetzungen trotzdem, weil sich manche Widersacher bestens unter den Kugeln wegzuducken verstehen. Das macht erfolgreich platzierte Projektile umso befriedigender, was zusätzlich von einem guten Treffer-Feedback unterstützt wird.
Die teils „zauberhaften“ Spezialfähigkeiten mischen sich hierbei sinnvoll unter die bleihaltigen Kampfhandlungen. Sie können uns zum Beispiel in brenzligen Momenten helfen, indem sie Gegner zurückwerfen und verwunden (Schockwelle). Genauso können sie aber auch den Ausdauerverbrauch verringern, wodurch wir länger Sprinten können, oder den von Gegnern ausgeteilten Schaden innerhalb eines bestimmten Umkreises reduzieren.
Zuletzt sorgte das angenehm einfache Waffen-Handling dafür, dass wir uns beim Spielen von Remnant 2 ein Stück weit wie in einer Reboot-Ausgabe von Doom gefühlt haben – nur eben aus der Third-Person-Perspektive. Diese Aussage ist aber keinesfalls als Warnung zu verstehen. Vielmehr beziehen wir uns damit auf die herrlich krachenden Wummen-Sounds von Pistolen, „Pumpguns“, MGs, Sniper-Gewehren und anderen im Kern konventionellen Waffen. Und natürlich auf mächtige Einschläge!
Achtung, Performance-Probleme Unser Testsystem aus einem Core i7-8700k mit 6x 3,7 GHz, einer GeForce RTX 3060 und 32 Gigabyte DDR4-RAM übersteigt die empfohlenen Systemspezifikationen deutlich. Dennoch lieferte uns Remnant 2 höchstens 45 Bilder pro Sekunde und unterbot diesen Wert regelmäßig um bis zu 18 FPS. Derweil haben uns Gunfire Games und Gearbox Publishing wissen lassen, dass bei Erscheinen von Remnant 2 alle offenkundigen Spielfehler beseitigt sein werden. Wir gehen davon aus, dass auch die ausbaufähige Performance Gegenstand eines künftigen Patches sein wird. |
Der Spaß bleibt in diesem Teil des Spiels auch weitgehend ungetrübt, da die Rücksetzpunkte, gemessen am Soulslike-Genre, als fair zu bezeichnen sind. Liegen wir etwa in einem Bossfight gegen ein dampfwalzenartiges Müllmonster auf dem Hintern, so steigen wir nur Sekunden vor der Konfrontation wieder ein. Dagegen trug die fehlende Pausenfunktion für unseren Geschmack nicht zum Schwierigkeitsgrad bei; wir fanden ihre Abwesenheit einfach nur nervig.
Remnant 2 ist mitnichten ein Open-World-Spiel, jedoch darf eine gute Zahl an größeren Levels von Viechern gesäubert werden. Einer der interessantesten Aspekte ist, dass die Reihenfolge, in der wir die einzelnen Gebiete über den Weltenstein in Station 13 betreten, nicht feststeht – ebenso wenig wie unsere jeweils aktive Aufgabe.
Die eine Spielrunde kann demnach in einem unterirdischen Gefängnis beginnen, sofern wir einer bestimmten Monarchin gegenüber patzig geworden sind. In der nächsten Runde dagegen begegnen wir der besagten Kaiserin womöglich gar nicht, je nachdem, wie wir uns in den bisherigen Gesprächen verhalten haben.
So oder so reihten sich die unterschiedlichen Landschaften in unserem Test abwechslungsreich aneinander; wir bekamen unter anderem dschungelähnliche Biome, nahezu Giger-eske Planetenpanoramen und technisierte Untergrundanlagen mit gigantischen, funktionsfähigen Apparaturen zu sehen. Klingt gut? Mehr noch, es sieht dank der hohen künstlerischen Qualität zuweilen auch noch fantastisch aus.
Allerdings wurden manche Levelgrenzen ein wenig eng gesteckt und zu entdecken gibt es außer ein paar Versorgungskisten mit nützlichen Inhalten wie Ressourcen nicht viel. Die Gestaltung nimmt eher Rücksicht auf spannende Schusswechsel – mit beträchtlichem Erfolg.
Denn unsere Kontrahenten kennen das jeweilige Level anscheinend gut, da sie die Umwelt über einen größeren Bereich für sich zu nutzen wissen. Das heißt, dass ein Gegner ursplötzlich verschwinden und uns etwas später aus einem weiter entfernten Tunnel heraus anspringen kann. Unangenehme Überraschungen stehen also an der Tagesordnung, und das ist auch sehr gut so.
Mehr Archetypen, schönere Levels, hochklassige Feuergefechte: Remnant 2 steigert sich gegenüber dem Vorläufer noch einmal und bleibt trotz spielerischer Einfalt die meiste Zeit spannend. Dass die fantasievolle Story dabei ins Hintertreffen gerät, spielt quasi keine Rolle, denn das interessante bis ausgeklügelte Leveldesign sorgt für jede Menge Spielspaß.
Was also – abgesehen von Performance-Schwächen und einem schlecht designten Koop-Modus – steht hier einer hohen Wertung im Wege? Es ist die Tatsache, dass längst nicht jeder Spieler Lust dazu verspürt, sich von Videospielen politisch „belehren“ zu lassen.
Bedingt mag ein Fantasy-RPG-Shooter als politisches Sprachrohr taugen, wenn die jeweiligen Themen demokratisch angegangen werden. Dies ist bei Remnant 2 jedoch nicht der Fall. Nein, es ergeht sich sogar in Bashing gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe. Und das ist wirklich verdammt traurig.
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Remnant 2 bietet tolle Optik und vorbildliche Knarren-Kämpfe, leidet aber unter Performance-Problemen. Auch tun sich die Entwickler keinen Gefallen damit, im Rahmen der eher beiläufigen Story eine bestimmte Bevölkerungsgruppe herabzuwürdigen.
Also wird im Spiel gegendert? Hab ich diese Info richtig extrahiert?
Ja, teilweise. Zum Beispiel im Charakter-Editor, bei der Wahl des Schwierigkeitsgrades und in Erklärbär-Fenstern.
Danke.
Wie sieht's mit den Klassen, den InGame-Texten abseits der Tutorials und der Sprachausgabe aus?
Sprich: Dart ich als Jäger, bzw. Jägerin spielen oder bin ich und alle NPCs im Spiel ein geschlechtsneutraler Klumpen Knete ... Wie in Tiny Tina?