Der Artikel spiegelt hauptsächlich die Meinung des Autors wieder. Als Mary Shelley anno 1818 anonym die Elektrizität verfrankensteinte, hätte sie wohl kaum für möglich gehalten, dass der Menschheit noch 200 Jahre lang nichts Besseres einfallen sollte. Erst folgte Robert Stevenson mit Dr. Jekyll & Mr. Hyde, dann – irgendwann – Robert Zemeckis mit Dr. Emmett Brown, und seit 2005 auch die Nachrichtenmedien mit Dr. Angela Dorothea Merkel.
Immer wieder behelligte und behelligt man uns mit den experimentellen Behandlungsmethoden oder fehlgeschlagenen Experimenten verrückter Wissenschaftler. Das Coolste in zweiundsiebzigtausendsechshundertfünfunddreißig Tagen Horror war wirklich Albert Einsteins Frisur – und wer was anderes sagt, trägt Vokuhila.
Dasselbe im Bereich der Horror Games: Während die ganze Chose natürlich ohnehin mit Frankenstein, Mad Doctor und Dracula begann, scheinen wir inzwischen in einer Schleife aus Slender, Slender und Amnesia angekommen zu sein. Wie in einer Waschtrommel rotieren die gegenwärtigen Zwei minus Eins Horrorkonzepte unaufhörlich um die eigene Achse. Wir schauen in die Trommel hinein und sehen: Taschenlampenkegel, abgeschnittener Unterarm, Kilometerzähler. Plötzlich fällt eines der zwei Drehdinger von der Waschmaschine ab: wir erschrecken. Nicht.
Quo vadis, Horrorspiel? Tragen dich deine krampfadrigen Waden überhaupt noch (irgendwo hin)?
Wenn uns dieser Tage der Unity-Splash-Screen erscheint, ist die Sache meist auch schon gelaufen, denn selbst wenn das Horror Kit Lite einmal im Unity Store verblieben sein sollte: gleich wird mit hundertprozentiger Gewissheit eine handähnliche Hand eine Taschenlampe zücken und die plastischen Köpfe grüne Brocken spuckender Zombiespenster erhellen; jedenfalls rein optisch. Wieder werden wir hölzernen Fußes fliehen, wieder werden wir in die pinke Laundry-Tonne unterm Waschbecken springen, und wieder einmal werden wir uns die Zeiten von Condemned und F.E.A.R. zurückwünschen.
Dabei ginge es auch ganz ohne Retro. Kennt ihr schon den netten Jungen dort unten?
Das ist Idea Guy. Und keiner liebt Idea Guy, schon gar nicht die Spieleentwickler. Warum, fragt ihr? Weil Ideen nichts wert sind, genauso wenig wie Musik – und das leuchtet uns natürlich ein, klar. Was aber, wenn Horror-Games-Entwickler, wie zumeist der Fall, gar keine Ideen mehr haben? Wer weiß, vielleicht holten sich beispielsweise The Deep End Games einen Idea Guy („10:90? Yes?“) ins Boot, um so das schockierend innovative Perception aus dem Boden stampfen zu können. Oder sie hatten einen Idea Guy, der seine Ideen modellieren konnte, was ja auch das Mindeste wäre.
Was auch immer im Hause Deep End geschah: Ganz eigentlich liegen die Inspirationen manchmal auf der Straße, oder vielmehr sogar im Müll. Es reichte nämlich vollkommen aus, würden sich manche fähige, aber ideenlose Devs schlicht an Trash orientieren. Paranormal Activity (& Co) zum Beispiel: Was tun die Protagonisten hier nämlich nicht nur in jedem siebten Film? Sie installieren Kameras, um paranormale Phänomene festzuhalten. Und warum sollte man dies nicht auch in Computerspielen tun?
Es war eine Kamera, die im Jahre 2002 Survival-Horror-Gameplay grundlegend veränderte: Project Zero.
Klingeling. Eine etwas abstraktere Weiterentwicklung des Project-Zero-Prinzips, und schon hätten wir etwas weitaus Frischeres als muffige Wäsche in pinken Tonnen. Selbst das doofe Zombiespenst könnte vor einem Satz „Geister-Kameras“ richtig tolle Faxen machen – und so eine ungeahnte Wirkung entfalten. Wir müssen wirklich nicht immer höchstselbst durch 3D-Welten schlendern. Auch nicht schießen, schlagen, treten oder telefonieren. Selbst in einer simplen Fernbedienung liegt die Inspiration von einhundert Überraschungseiern, man muss nur ein wenig über den Fernseher hinausdenken ... Oder auch in ihn hinein.
Was bei allem jedoch das Wichtigste ist: Es braucht eine Vision, also diese eine Idee, die einen womöglich schon seit Jahren eng umschlingt und einfach nicht mehr loslässt. Denn Computerspiele sind nicht per se Kunst, wie auch Musik oftmals keine Kunst ist – da ist ein Unterschied zwischen „Etwas machen“ und „Sich selbst verwirklichen“. Ein Beispiel? Natalia Figueroa verwirklichte sich mit Fran Bow, aber das hat sie dem Autor nicht gesagt. Er konnte es fühlen.
Klar wollen wir alle Rockstars oder Spieleentwickler werden, doch die meisten von uns werden nicht einmal schlecht bezahlte Journalisten (nicht missverstehen: Gaming-Redakteure bekommen bei Einstellung sofort ihr Einfamilienhaus). Gegen Fantasielosigkeit hilft nun mal kein Google („Wie werde ich Spieleentwickler?“) und auch keine Unity oder Unreal Engine. Darum, liebe Horror Games-Entwickler und solche, die es werden wollen: Wenn ihr keine nennenswerten Visionen habt, erspart uns und auch euch die Zeit – und lasst es einfach bleiben. Noch könnt ihr etwas Ordentliches lernen.
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