In Like a Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name teilt die Yakuza-Legende Kiryu zwar noch einmal richtig aus. Im Test offenbart das Prügel-Adventure jedoch, dass seine größte Stärke wenig mit Faustrecht zu tun hat.
Seit dem Steam-Launch von Yakuza 0 im Jahr 2018 hat sich Titelheld Kazuma Kiryu auch im Westen viele Fans erkämpfen können. Kein Wunder, versteht es das vermeintliche „Japan-GTA“ schließlich, erstklassige Mafia-Krimis in pulsierende Stadtspielplätze zu betten – und mit abgefahrenem Humor zu garnieren.
Die jüngste Ausgabe der Erfolgsformel, Like a Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name, steckt wohl letztmals Kiryu in die Hauptrolle, dem trotz seiner 18 Dienstjahre hier nicht die Puste ausgeht. Denn der alternde „Drache von Dojima“ darf zum Abschluss nicht nur eine schillernde „Burg“ einnehmen, sondern auch eine Seite von sich zeigen, die selbst Langzeit-Fans noch von den Socken hauen dürfte.
Insofern steht Like a Dragon Gaiden im Zeichen der Überraschung, wenn es auch im Kern nichts anders macht als die Vorgänger. Wie stark die wiederholenden Elemente gegenüber der spannenden Story ins Gewicht fallen – und mehr –, klärt dieser Test.
Die Story: Das neue Action-Adventure von RGG Studio spielt in einem Japan, in dem die Yakuza kurz vor ihrem Ende stehen. Zu groß ist der Druck des Staates auf die kriminellen Banden geworden, als dass diese ihm noch länger standhalten könnten – und auch Kazuma Kiryu, die langjährige Hauptfigur der Yakuza-Spiele, wurde von einer geheimdienstähnlichen Organisation, der Daidoji-Fraktion, per Millionendeal am Krankenbett „kassiert“.
Kiryus zusätzliche Bedingung lautete, dass die Fraktion seinen Tod vortäuschen und ihm eine neue Identität geben müsse. Wer die Yakuza-Serie kennt, ahnt wahrscheinlich schon, was den Ex-Vorsitzenden des Tojo-Clans zu dieser Forderung bewog: die Sicherheit seines Waisenhauses Morning Glory. Doch Kiryu, inzwischen unter dem Codenamen Joryu bekannt, befindet sich bei den Daidoji nicht direkt unter Freunden.
So muss er nun als Agent gefährliche Jobs für die mysteriösen Typen verrichten; etwa die Bewachung eines ominösen Containerschiffs, dessen Goldladung im Hafen von Yokohama abgeladen werden soll. Erwartbar also, dass ein Trupp von maskierten Männern den Hafen überfällt, doch das Interesse der Angreifer gilt überraschend Kihei Hanawa – Kiryus Vorgesetzter –, dessen Entführung Kiryu im letzten Moment verhindern kann.
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„Überraschend“, weil eine Entführung Hanawas, der bloß ein kleines Rädchen im Getriebe ist, nicht so recht Sinn ergeben will. Auch nicht, als die Spur zu einer alten Yakuza-Familie, dem Seiryu-Clan, führt, der über Kiryus Status informiert sein könnte. Insoweit baut Like a Dragon Gaiden ein serientypisches Mysterium auf, das im weiteren Verlauf zu einem wahren Monstrum heranwächst und schließlich mittels spannender Wendungen aufgelöst wird.
Massenschlägerei im Hafen von Ijincho: Agent Kazuma Kiryu lehrt den maskierten Angreifern das Fürchten.
Zwar reicht die ungewohnt kurze Story mit ihrer Spielzeit von zirka 15-20 Stunden nicht ganz an Yakuza 7: Like a Dragon oder das imposant erzählte Lost Judgment (das aktuelle Yakuza-Spin-off) heran. Das macht das emotionsgeladene Mafia-Epos aber keinen Deut weniger spielenswert; besonders nicht mit Blick auf den eindrucksvollen Epilog, den jeder Kiryu-Fan einmal gesehen haben muss. Wie immer lassen sich der auf Englisch oder Japanisch vertonten Geschichte bei Bedarf deutsche Untertitel zuschalten.
Die Spielwelt: Like a Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name spielt fast schon traditionsgemäß in zwei japanischen Stadtteilen, die den realen Vorbildern glaubwürdig nachempfunden wurden. Diesmal handelt es sich um:
Dennoch gibt es Neuerungen, und so wurden die beiden Distrikte auf der Y-Achse etwas erweitert. Ein Beispiel dafür wären Leitern, über die Kiryu etwa auf ein höhergelegenes Parkdeck gelangt. Dies kommt nicht von ungefähr, denn der smarte Haufdruff verfügt nun über Gadgets, von denen eines – der „Faden“ – ihm das Einsammeln von normalerweise nicht erreichbaren Objekten erlaubt.
Den Faden kann man sich ähnlich wie Spider-Mans Web Launcher vorstellen; nur, dass Kiryus Variante offenbar aus konzentrierter, blaufarbener Energie besteht. Zu den Gadgets erfährst du im Textabschnitt über das Kampfsystem noch mehr.
Natürlich wurde vor allem Sotenbori mit einer ganzen Palette an (leider schon aus anderen Yakuza-Spielen bekannten) Minispielen vollgestopft. Neben virtuellen Spielhallen, die Vollversionen klassischer Arcade Games wie Virtua Fighter 2 und Sega Racing Classic 2 auf den Bildschirm werfen, sind auch wieder aufwendigere Zerstreuungen dabei.
Hier stechen zum einen zwei „immersive“ Hostessenclubs mit insgesamt fünf realen (ja, richtig echte) Gesprächspartnerinnen hervor. Unter Einsatz von teuren Getränken und schlau geführten Dialogen gilt es hier die Sympathie-Leiste der jeweiligen Hostess zu füllen, um schließlich mit etwas Süßholzgeraspel und Herzenswärme belohnt zu werden.
Fest steht, dass uns dieses neue Immersionsgefühl überrascht hat, denn bislang bestanden die Cabaret-Damen in Yakuza und Like a Dragon stets aus Ploygonen. Als besonders aufregend empfanden wir die Hostessen-Gespräche indes nicht, weil sie ein bisschen zu belanglos daherplätscherten.
Und zum anderen lädt der Pocket Circuit vier Fahrer dazu ein, ihr Können mit Modellrennwagen im Stil der guten alten Carrera-Bahn zu messen. Dank der soliden Umsetzung sorgt diese Einlage durchaus für einige Kurzweil, aber für echte Yakuza-Veteranen ist damit eben auch nichts Neues am Start.
Ansonsten geht in Ijincho wie auch in Sotenbori alles … halt, nicht alles seinen alten Gang. Klar, Kiryu wird wie immer an jeder Ecke von halbstarken (Yakuza-)Schlägern angegriffen, aber es finden sich in den hübsch ausgeleuchteten Straßenschluchten so gut wie keine Nebenstorys mehr. Was ist da passiert?
Die sympathisch vorlaute Akame betreibt ein Informationsnetzwerk, dem Kiryu aushelfen muss. (Like a Dragon Gaiden)
Nun, die immer noch sehr zahlreichen, oft humorigen Nebenaufgaben sind in Like a Dragon Gaiden bei einer gewissen Akame abzuholen. Nach außen ist die witzig großmäulige Twen-Göre eine selbstlose Obdachlosenhelferin, doch in Wahrheit betreibt sie ein gewinnbringendes Informationsnetzwerk, das Obdachlose quasi als Agenten nutzt.
Im Grunde laufen alle Fäden des Spiels bei Akame zusammen. Wenn Kiryu in den Straßen der Städte Angreifer verprügelt oder Menschen in Not hilft, dann erhält er dafür Netzwerkpunkte, die in einem speziellen Shop gegen gute Ausrüstung eingetauscht werden können. Auch neu ist, dass das Freischalten von Kampffähigkeiten jeweils einer gewisse Anzahl an Netzwerkpunkten bedarf.
Zudem steigt Akames Netzwerk nach und nach im Rang auf, wodurch weitere Nebenstorys verfügbar werden. Diese Netzwerk-Idee ist zugegebenermaßen eine sehr schlaue. Denn tatsächlich lenkt dieses neue Fortschrittssystem ein wenig davon ab, dass wir in Sotenbori und Ijincho letztlich doch dem alten Yakuza-Trott folgen.
Halbwegs neu ist lediglich, dass nun – ähnlich wie in Lost Judgment – hilfesuchende Passanten herumstehen, die etwa einen Ball in eine Baumkrone geworfen oder ein Objekt verloren haben. Da die Beschaffung der Gegenstände jedoch keine Herausforderung darstellt (sie befinden sich meist im Umkreis von 5 bis 10 Metern), hätte man sich diese Einlagen gänzlich sparen können.
Um die Fans von Like a Dragon nicht nur mit kleineren Neuerungen abzuspeisen, haben die Entwickler extra für Gaiden eine optisch fast schon verschwenderisch schöne Wett- und Spielhölle entworfen: die „Burg“. Hierbei handelt es sich um eine burgähnlich gestaltete Vergnügungsmeile, die auf einem Containerschiff getarnt japanische Gewässer durchkreuzt. Den Chefsessel hat hier der wahnsinnige Patriarch des Kijin-Clans, Homare Nishitani III, inne. Der scheinbar schmächtige Fiesling fungiert als einer der beiden Antagonisten des Spiels.
Abseits der Geschichte kann Kiryu im Kolosseum gegen besonders starke Kämpfer antreten, um Geld und nützliche Sachpreise einzustreichen. Damit das nicht so schnell langweilig wird, stehen drei Modi bereit, die sich im Wesentlichen durch knackharte Einzelbegegnungen gegen Freaks mit Nagelkeulen oder Schwertern und spaßige Massenprügeleien gegen teils geklonte Yakuza unterscheiden.
Für letztere kann Kiryu auch zahlreiche Mitstreiter anwerben, um seinen eigenen Arena-Clan zu formen. Diese „Söldner“ – unter anderem ein Ninja und ein schlagkräftiger Geschäftsmann – verfügen jeweils über eigene Kampfstile, während der DLC „Legendäre Kämpfer“ Kiryu alte Bekannte (Goro Majima, Taiga Saejima, Daigo Dojima) zur Seite stellt.
Da Kiryu sich zudem in der burgeigenen Boutique Arena-Outfits zusammenstellen und im Casino Kartenspielen wie Blackjack frönen darf, handelt es sich bei der Burg um eine sehr wertige Neuerung, der aber noch ein weiteres neues Minispiel gut zu Gesicht gestanden hätte.
Mit den Ausgaben und Jahren hat sich das Kampfsystem der Yakuza- und Like-a-Dragon-Spiele der Perfektion angenähert – was Like a Dragon Gaiden fett zu unterstreichen weiß. Ob in exklusiven Missions-Gebieten oder mitten in der meist frei erkundbaren Stadt: Die Kampfanimationen und -choreografien sehen absolut filmreif aus. Und: Sie fühlen sich wie immer enorm durchlagskräftig an, was nicht zuletzt dem kernigen Sounddesign zu verdanken ist.
Genauso wichtig ist natürlich, dass sich der Protagonist einwandfrei kontrollieren lässt (check) und bei den teils längeren Kombos intelligent auf die Standorte der Gegner sowie auf die Umgebung reagiert (auch check). Besonders bei den Heat-Aktionen, die Kiryu durch erfolgreiche Kampfhandlungen zeitweise zur Verfügung stehen, lässt es Kiryu so richtig krachen. Viele der kurzen Filmsequenzen, in denen die Moves präsentiert werden, sind zwar bekannt. Es sind jedoch auch Neuzugänge darunter, zum Beispiel ein „beherzter“ Messerstoß per Knie.
Trotz des reduzierten Kampfsystems – es stehen diesmal nur der blitzschnelle Agenten- und der schadensbetonte Yakuza-Stil zur Verfügung –, fühlen sich die Handgemenge sehr vielseitig an. Denn freilich lassen sich noch eine Reihe von zusätzlichen Techniken freischalten, die unter anderem erweiterte Finisher, Griffbefreiungstaktiken und verheerende Doppelhandattacken umfassen. Wie schon erwähnt, kann Kiryu außerdem auf vier Gadgets zurückgreifen, die da wären:
Gegen all das wissen sich die KI-Kämpfer übrigens zu wehren – und auch während Kiryus Angriffen mit Fahrrädern, Sesseln oder Schrotflinten können sie Gelegenheiten erkennen und diese für sich nutzen.
Die Raufereien waren schon immer und bleiben eine der großen Stärken von Like a Dragon. Einzig und allein das Checkpoint-System während Missionen bedarf unserer Meinung nach Justierung. Zum Teil dauern diese nämlich recht lange und es ist ärgerlich, wenn das Spiel aus Zeitgründen beendet werden muss und man sich beim nächsten Anlauf wieder ganz am Anfang der Mission sieht.
Gefühlt enthält Like a Dragon Gaiden einige der größtangelegten Massenschlägereien der Spielereihe. Und die machen wie immer Spaß.
Der wohl unerschöpflichen Kreavität von RGG Studio ist es zu verdanken, dass Kazuma Kiryu in Like a Dragon Gaiden noch einmal ein ganz großes Abenteuer erleben darf. Jedenfalls mit Blick auf die zuweilen hochemotionale Mafia-Story, denn Gaiden ist mit einer Spielzeit von ungefähr 30 Stunden einer der kürzesten Yakuza-Vertreter.
Während auch bei dem teils tiefergehenden Charakterdesign und dem Kampfgeschehen praktisch alles stimmt, laufen sich die wiederkehrenden Minispiele allmählich tot. Mit der Burg und der zugehörigen Kampfarena sind frische Ansätze durchaus vorhanden, doch es ist wirklich an der Zeit, Like a Dragon einem generellen Content-Update zu unterziehen.
Like a Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name ist ab dem 8. November 2023 für PC (Steam), Playstation 5/4, Xbox Series X/S und Xbox One erhältlich. Der Preis für das Basisspiel beträgt für alle Plattformen 50 Euro.
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Der wohl unerschöpflichen Kreavität von RGG Studio ist es zu verdanken, dass Kazuma Kiryu in Like a Dragon Gaiden noch einmal ein ganz großes Abenteuer erleben darf. Jedenfalls mit Blick auf die zuweilen hochemotionale Mafia-Story, denn Gaiden ist mit einer Spielzeit von ungefähr 30 Stunden einer der kürzesten Yakuza-Vertreter. Während auch bei dem teils tiefergehenden Charakterdesign und dem Kampfgeschehen praktisch alles stimmt, laufen sich die wiederkehrenden Minispiele allmählich tot. Mit der Burg und der zugehörigen Kampfarena sind frische Ansätze durchaus vorhanden, doch es ist wirklich an der Zeit, Like a Dragon einem generellen Content-Update zu unterziehen.
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